Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Eine Enteignung ist grundsätzlich nur zulässig, wenn sie zugunsten des 
öffentlichen Wohles133beziehungsweise des 
allgemeinen Besten134 und gegen angemessene 
Schadloshaltungerfolgt.135 1.2Materielle Enteignung Die LV erfasst in Art. 35 von ihrem Wortlaut her nur die formelle Enteignung. Im Gegensatz zur formellen Enteignung fehlt es bei der materiellen Enteignung an einer Übertragung von Eigentumsrechten auf den Enteigner oder auf einen von diesem bestimmten Dritten. Das enteignende Gemeinwesen erwirbt keine Eigentumsrechte, umschreibt aber die Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse im Interesse der Allge- meinheit – beispielsweise aus Gründen der Raumplanung, des Umwelt- schutzes oder des Natur- und Heimatschutzes – derart, dass sich dies für den Eigentümer wie eine Enteignung auswirkt.136Im Gegensatz zur formellen Enteignung ist die Entschädigung bei der materiellen Enteig- nung nicht Voraussetzung, sondern Rechtsfolge des Eigentumsein- griffs.137 Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, der sich diesbe- züglich ausdrücklich an der Rechtsprechung des schweizerischen Bun- desgerichts orientiert,138liegt eine materielle Enteignung vor, «wenn der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch der Sache verbo- ten oder in besonders schwerer Weise eingeschränkt wird, oder wenn ein einziger oder einzelne Grundeigentümer so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit als unzumutbar erschiene, wenn 717 
Eigentumsgarantie 133Vgl. Art. 35 Abs. 1 LV. 134Vgl. § 1 des Expropriationsgesetzes. 135Das Enteignungsverfahren wird durch das Gesetz bestimmt (Art. 35 Abs. 2 LV). 136Vgl. Vallender, Art. 26 BV, Rz. 65 f; Müller G., Art. 22ter aBV, Rz. 44 f. Die schwei- zerische Bundesverfassung spricht hier von «Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen» (Art. 26 Abs. 2 BV). 137Vgl. Wille H., Verwaltungsrecht, S. 95. Für die Schweiz siehe Müller G., Art. 22ter aBV, Rz. 44. 138StGH 1999/26 Erw. 2.3: «Die Anerkennung der Entschädigungspflicht bei einer [. . .] materiellen Enteignung erfolgte in Liechtenstein ebenso wie in der Schweiz durch die Rechtsprechung [. . .]. Dass in der Schweiz seit 1969 neben der formellen auch ausdrücklich die materielle Enteignung in der Verfassung verankert ist [. . .], ändert an der grundsätzlich vergleichbaren Verfassungslage nichts.»50 
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