Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

auf der gleichen Stufe wie Verfassungsnormen.74Ihre Verletzung kann gleich wie die Verletzung eines verfassungsmässig gewährleisteten Rechts geltend gemacht werden (Art. 15 Abs. 2 lit. a StGHG). Steht eine Verfassungsinitiative im Widerspruch zu einer EMRK-Garantie, ist die vorgeschlagene Änderung als gleichrangige lex specialis und daher als gültig zu betrachten.75Gegenüber Gesetzesinitiativen geniesst die EMRK gleich wie die Landesverfassung Vorrang. Das Recht des 
EWRist für die Vertragsparteien des EWR-Abkom- mens verbindlicher Teil des innerstaatlichen Rechts (Art. 7 EWRA).76 Über das Verhältnis des EWR-Rechts zum Landesrecht findet sich je- doch weder im EWRA noch in der Landesverfassung eine Bestimmung. Beim Beitritt Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum wurde auf die Einführung einer Norm auf Verfassungsebene, welche dieses Verhältnis regelt, verzichtet. Mit Art. 70b VRG existiert eine solche Vor- schrift nur für Initiativen, die Gesetzesrecht betreffen, da der einfache Gesetzgeber kein materielles Verfassungsrecht erlassen kann. Art. 70b VRG kann somit keine Aussage über das Verhältnis zwischen Landes- verfassung und EWR-Recht entnommen werden. Das Verhältnis des EWR-Rechts zum Landesrecht unterscheidet sich daher je nachdem, ob eine Verfassungs- oder Gesetzesinitiative Gegenstand der Prüfung ist. 659 
Politische Rechte 74Der StGH gesteht der EMRK «faktisch Verfassungsrang» zu, StGH 2005/89 Erw. 4; StGH 2000/27, LES 2003, S. 178 (180); StGH 1995/21, LES 1997, S. 18 (28). Ge- gen den Verfassungsrang der EMRK Höfling, Europäische Menschenrechtskonven- tion, S. 144, der hierfür eine ausdrückliche Anordnung des Verfassungsgebers ver- langt. Weitergehend dagegen Hangartner zu Art. 139 Abs. 2 BV, Rz. 32, wonach die gesamte EMRK als zwingendes Völkerrecht zu behandeln sei. Vgl. zum Ganzen auch Höfling, Verfassungsbeschwerde, S. 118 ff. 75So auch die Rechtslage in der Schweiz, Art. 139 Abs. 3 BV e contrario; vgl. bereits die Botschaft des Bundesrates über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I S. 446. Eine andere Frage ist, welche Folgen eine – vom EGMR festgestellte – Verletzung der EMRK im Landesrecht hat; vgl. dazu den Bericht des Bundesrates zum Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht, S. 2290 und 2329. 76Die Bestimmung entspricht somit Art. 288 Abs. 2 AEUV (früher Art. 249 EGV). Im Protokoll 35 zum EWR-Abkommen verpflichten sich die EFTA-Staaten zudem, für Fälle möglicher Konflikte zwischen EWR-Bestimmungen und innerstaatlichem Recht nötigenfalls eine gesetzliche Bestimmung des Inhalts einzuführen, dass in die- sen Fällen die EWR-Bestimmungen vorgehen. Zur direkten Geltung des EWR- Rechts ohne besonderen nationalen Transformationsakt vgl. VGH 2005/94, LES 2006, S. 300 (305); StGH 1995/14, LES 1996, S. 119 (122); Bussjäger, Rechtsfragen, S. 140 f.44
	        

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