Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Teilgehalt des rechtlichen Gehörs dar.42Die Orientierung über den Ver- fahrensgang und den Verfahrensgegenstand versetzt den Verfahrensbe- troffenen erst in die Lage, von seinem Anspruch auf rechtliches Gehör sinnvoll Gebrauch zu machen und seine Interessen wirksam zu vertre- ten. Der Verfahrensbetroffene hat insbesondere das Recht, über alle Ak- ten wie zum Beispiel Einvernahmeprotokolle, Gutachten, Beweisurkun- den etc. unterrichtet zu werden, damit er dazu Stellung nehmen kann.43 Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um Akten der Gegenpartei oder um solche von dritten Personen und Behörden handelt.44Eine Behörde, die neue Aktenstücke, Stellungnahmen der Vorinstanz oder anderer Be- hörden etc. in den Akt aufnimmt, die als Entscheidungsgrundlage die- nen, hat jedenfalls die Pflicht, die Verfahrensbetroffenen darüber zu un- terrichten.45Der Verfahrensbetroffene ist nicht gehalten, dass er sich in periodischen Abständen darüber informiert, ob das Gericht inzwischen neue Akten beigezogen hat.46 Des Weiteren umfasst der Anspruch auf Orientierung in einem Ge- richts- oder Verwaltungsverfahren ein Verbot der Überraschungsent- scheidung. Das heisst, die Behörden und Gerichte haben die Verfahrens- betroffenen auch zu informieren, wenn sie die Entscheidung auf eine ju- ristische Argumentation stützen wollen, mit deren Heranziehung nicht 575 
Anspruch auf rechtliches Gehör 42Vgl. StGH 2007/88, Entscheidung vom 24. Juni 2009, Erw. 2.2, publiziert unter <www.gerichtsentscheidungen.li>. Vgl. auch Kley, Grundriss, S. 251; Höfling, Grundrechtsordnung, S. 248. Andreas Kley und Wolfram Höfling sprechen hier vom Recht auf Information. 43Vgl. StGH 2010/44, Urteil vom 9. August 2010, nicht veröffentlicht, S. 13, Erw. 4.3.1. Für die Schweiz siehe Albertini, Anspruch, S. 206 ff.; siehe auch Kiener / Kä- lin, Grundrechte, S. 419 f.; Steinmann, Art. 29 BV, Rz. 24. 44Vgl. StGH 2009/170, Urteil vom 14. Dezember 2009, nicht veröffentlicht, S. 40, Erw. 3.1; StGH 2011/69, Urteil vom 1. Juli 2011, nicht veröffentlicht, S. 20 f., Erw. 2.2.3. 45Vgl. StGH 2010/40, Urteil vom 20. September 2010, nicht veröffentlicht, S. 30, Erw. 2.2, wonach jede neue Urkunde und jede neue Stellungnahme, die vor der jeweili- gen Entscheidung zu den Akten genommen wird, den Verfahrensbetroffenen zur Äusserung beziehungsweise Stellungnahme vorgelegt werden muss; siehe auch StGH 2010/59, Urteil vom 29. November 2010, nicht veröffentlicht, S. 14, Erw. 4.2, wonach die Verfahrensbetroffenen einen Anspruch auf Kenntnis aller Stellungnah- men der anderen Verfahrensparteien haben und sich dazu äussern können. Für die Schweiz vgl. auch Müller / Schefer, Grundrechte, S. 861. 46Vgl. Müller / Schefer, Grundrechte, S. 861 mit Hinweisen zur Rechtsprechung des EGMR.15
	        

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