Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

2.Teilgehalte des Anspruchs auf rechtliches Gehör 2.1Allgemeines Der Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert, dass die Verfahrensbe- troffenen eine dem Verfahrensgegenstand und der Schwere der drohen- den Sanktion angemessene Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt zu vertreten. Von diesem Grundsatz ausgehend hat der Staatsgerichtshof verschiedene Teilgehalte des Anspruchs auf rechtliches Gehör konkreti- siert. Es sind dies das Recht auf persönliche Teilnahme am Gerichts- oder Verwaltungsverfahren (nachfolgend Abschnitt 2.2), das Recht auf Orientierung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren (Abschnitt 2.3), das Recht auf Anhörung und das Recht auf Stellungnahme (Ab- schnitt 2.4) sowie das Recht auf Berücksichtigung bzw. der Anspruch auf Begründung der Entscheidung (Abschnitt 2.5). Schliesslich hat der Staatsgerichtshof auch das Akteneinsichtsrecht aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör abgeleitet (Abschnitt 2.6).32 2.2Recht auf persönliche Teilnahme am Gerichts- oder Verwaltungsverfahren Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst zunächst das elementare Recht, dass der Verfahrensbetroffene am Verfahren persönlich teilneh- men kann. Dies gilt im besonderen Masse im Strafprozess, weil hier schwerwiegende Sanktionen drohen.33Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 EMRK sowie Art. 14 Abs. 3 lit d UNO-Pakt II garantieren deshalb dem Ange- klagten das Recht auf persönliche Teilnahme am Prozess.34Ein Abwesen- heitsurteil ist im Strafverfahren grundsätzlich nur zulässig, wenn der An- geklagte die Möglichkeit in Anspruch nehmen kann, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verlangen. Die Möglichkeit einer Wiederaufnahme ist nicht erforderlich, wenn der Angeklagte ausdrücklich darauf verzichtet hat, am Verfahren teilzunehmen, oder aus eigenem Verschulden am Ver- 573 
Anspruch auf rechtliches Gehör 32Vgl. ausführlich zu den verschiedenen Teilaspekten des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Hinblick auf das Verwaltungsverfahren Albertini, Anspruch, S. 206 ff. Vgl. auch Kiener / Kälin, Grundrechte, S. 418 ff. Für Deutschland siehe Degenhart, Art. 103 GG, Rz. 16 ff; Schmahl, Art. 103 GG, Rz. 9 ff. 33Vgl. Frowein / Peukert, EMRK, Art. 6 Rz. 158. 34Vgl. dazu etwa: Hermi gegen Italien, Urteil vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02, Ziffer 59. Siehe auch Frowein / Peukert, EMRK, Art. 6 Rz. 158 ff. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EGMR.11 12
	        

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