Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

auch der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht absolut.132So liegt es ge- rade «im Wesen vorsorglicher Massnahmen, dass deren Anordnung ohne vorherige Anhörung des Betroffenen und somit unter Einschrän- kung des rechtlichen Gehörs und damit der Verteidigungsrechte statt- findet».133 Der Staatsgerichtshof hat auch schon öfters hervorgehoben, dass die EGMR-Rechtsprechung zum rechtlichen Gehör des Angeklagten äusserst streng ist, was die Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft an- geht. Danach sind selbst Gegenäusserungen, in denen die Staatsanwalt- schaft ohne weitere Ausführungen die Beschwerdeabweisung beantragt, dem Angeklagten zur allfälligen Stellungnahme zuzustellen. Dies gilt nicht nur für Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft in einem eigentli- chen Strafverfahren, sondern gemäss EGMR auch in anderen Verfahren, sodass der Staatsgerichtshof diese Rechtsprechung auch auf Strafrechts- hilfeverfahren ausgedehnt hat,134wobei es mit Blick auf den auch primär aus Art. 31 Abs. 1 LV abgeleiteten allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör ohnehin keinen Unterschied machen kann, ob es sich um ein Strafrechtshilfeverfahren oder um ein «eigentliches» Strafverfahren han- delt.135So verstösst es auch «gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und insbesondere gegen den in Art. 6 Abs. 1 EMRK enthaltenen Grund- satz der Waffengleichheit», wenn sich der Angeklagte zu einem der Staatsanwaltschaft offenstehenden Rechtsmittel nicht äussern kann.136 Ebenso umfasst der sachliche Schutzbereich des Anspruchs auf rechtliches Gehör bzw. auf ein faires Verfahren auch den Anspruch des Beschuldigten bzw. Angeklagten auf ordentliche Zustellung der für seine Verteidigung wesentlichen Gerichtsdokumente.137Dazu gehört, dass die 461 
Recht auf wirksame Verteidigung 132Siehe etwa StGH 2010/40, Urteil vom 20. September 2010, <www.gerichtsent scheide.li>, S. 29 f. Erw. 2.1, und StGH 2010/59, Urteil vom 29. November 2010, <www.gerichtsentscheide.li>, S. 14 Erw. 4.2. 133StGH 2005/67, Urteil vom 2. Oktober 2006, <www.stgh.li>, S. 17 Erw. 5.2. 134StGH 2003/93, Urteil vom 1. März 2004, nicht veröffentlicht, Erw. 4, und StGH 2003/90, Urteil vom 1. März 2004, <www.stgh.li>, S. 9 f. Erw. 2.3, jeweils mit EGMR-Rechtsprechungsnachweisen. 135Vgl. StGH 2011/26, Urteil vom 30. August 2011, nicht veröffentlicht, S. 8 ff. Erw. 2.2 ff.; siehe aber auch StGH 2011/103, Urteil vom 30. August 2011, nicht veröf- fentlicht, S. 16 Erw. 3.1 f. 136StGH 1997/3, Entscheidung vom 5. September 1997, LES 2000, S. 57 (61 Erw. 4.2). 137StGH 2005/21, Urteil vom 28. September 2005, <www.stgh.li>, S. 10 Erw. 2.1.23 24
	        

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