Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Richters zu begründen.258Bisher galt etwa eine Richterperson im Zivil- verfahren nicht als befangen, auch wenn zwischen ihr und einem Partner der Anwaltskanzlei, die eine Verfahrenspartei vertreten hatte, ein nahes Verwandtschaftsverhältnis bestand.259 Auch berufliche Beziehungen können den Anschein der Befangen- heit begründen. So hielt der Staatsgerichtshof in StGH 2004/61 an seiner Auffassung fest, wie er sie bereits in StGH 2000/60260vertreten hatte, wonach ein gemeinsames Essen des Rechtshilferichters mit den Vertre- tern der ersuchenden Behörde keine Befangenheit bewirkt, da insbeson- dere «informelle Rücksprachen und Ratschläge im Verkehr mit dem an der Rechtshilfegewährung interessierten Staat möglich sein müssen und häufig im Interesse einer speditiven und effektiven Rechtshilfe auch an- gezeigt sein werden».261 Der Einsatz von nebenamtlichen Richtern ist in Liechtenstein ebenso wie in der Schweiz üblich und zur Tradition geworden.262Dabei können insbesondere nebenamtliche Richter, die hauptberuflich als An- wälte tätig sind, Anlass zur Besorgnis geben, sie könnten befangen sein.263Das schweizerische Bundesgericht lehnt es aber ab, eine solche Konstellation grundsätzlich als unvereinbar mit Art. 30 BV zu bezeich- nen. Es ist jeweils einzelfallbezogen zu untersuchen, ob der Richter ge- nügend offen und unvoreingenommen zu urteilen vermag.264Ein neben- 386Tobias 
Michael Wille 258StGH 2009/65, Urteil vom 18. Januar 2010, nicht veröffentlicht, S. 13 ff. Erw. 4; siehe auch StGH 2009/67, Urteil vom 18. Januar 2010, nicht veröffentlicht, S. 14 f. Erw. 2.1.5, und StGH 2009/68, Urteil vom 18. Januar 2010, nicht veröffentlicht, S. 15 f. Erw. 2.2.6. 259StGH 2001/38, Entscheidung vom 23. April 2002, nicht veröffentlicht, S. 11 ff. Erw. 3.3 f. mit Hinweisen auf die diesbezüglich geteilte Meinung in der Schweiz; siehe dazu und zur Kritik Wille T., Verfassungsprozessrecht, S. 273 f. 260StGH 2000/60, Entscheidung vom 19. Februar 2001, LES 2004, S. 13 (17 f. Erw. 4.1 ff.). 261StGH 2004/61, Urteil vom 27. September 2005, nicht veröffentlicht, S. 7 f. Erw. 4. 262Vgl. auch StGH 2001/38, Entscheidung vom 23. April 2002, nicht veröffentlicht, S. 11 f. Erw. 3.3. 263Vgl. Müller / Schefer, Grundrechte, S. 945; siehe dazu auch Kiener, Garantie, Rz. 26 mit Rechtsprechungsnachweisen, sowie Steinmann Art. 30 BV, S. 628 f. Rz. 10. 264Müller / Schefer, Grundrechte, S. 945 f. unter Bezugnahme auf BGE 133 I 1 ff.; siehe auch Frowein / Peukert, EMRK, S. 231 Rz. 233 unter Hinweis auf den EGMR-Fall Steck-Risch ./. FL, 63151/00, 19. Mai 2005, wonach gegen die Teilzeitbeschäftigung von Anwälten als Richter grundsätzlich keine Bedenken bestehen. Kritisch gegen- über der EGMR-Entscheidung im Fall Steck-Risch hingegen Steinmann, Art. 30 BV, S. 628 Rz. 10 mit Verweis auf BGE 131 I 1 E. 6.4.1. 
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