Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

I.Entstehung und Entwicklung des Grundrechts Schon die Konstitutionelle Verfassung von 1862 erwähnte in § 8 die Pressefreiheit, allerdings faktisch nur als Gesetzgebungsauftrag, welcher nie realisiert wurde. Im Gegenteil bestand teilweise eine Pressezensur.1 In der Verfassung von 1921 wurde die Meinungsfreiheit insgesamt als verfassungsmässiges Recht geschützt, wobei für die Presse ein ausdrück - liches Zensurverbot normiert wurde.2Art. 40 LV ist bis heute unverän- dert geblieben.3 Trotz der für die damalige Zeit ungewöhnlich weitreichenden Nor- mierung des Schutzes der Meinungsfreiheit in der Verfassung 1921 dau- erte es weit über ein halbes Jahrhundert, bis dieses verfassungsmässige Recht vom Staatsgerichtshof wirklich zur Kenntnis genommen und aus seinem «Dornröschenschlaf» geweckt wurde. Nach einer Formulierung von Höfling gehört zu den «erstaunlichsten Resultaten der systemati- schen Analyse der Grundrechtsjudikatur des Staatsgerichtshofs […] zweifelsohne die Erkenntnis, dass das Grundrecht der Meinungs- und Gedankenfreiheit (Art. 40 LV) bis in die 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts nahezu bedeutungslos geblieben ist. Die ältere Judikatur des Staatsge- richtshofes liess in den wenigen einschlägigen Konstellationen jede Pro- blemsensibilität vermissen.»4 196Hilmar 
Hoch 1Marxer, Medien, S. 105 f. und 126; vgl. auch Kley, Grundrechte, S. 240 ff. Wenn da- gegen im BuA Nr. 82/2004 betreffend die Schaffung eines Mediengesetzes (im Fol- genden «BuA Nr. 82/2004»), S. 10, von der «Gewährleistung der Meinungsfreiheit in der Verfassung von 1862» die Rede ist, so entbehrt dies der Grundlage. 2Siehe hinten Rz. 10 und 23sowie Höfling, Grundrechtsordnung, S. 133 f.; zum jeg- liche Zensur von Meinungsäusserungen ausschliessenden Verfassungsentwurf von Wilhelm Beck siehe Marxer, Medien, S. 103 Fn. 179. Anders als in Liechtenstein hat in der Schweiz erst im Jahre 1961 das Bundesgericht neben der explizit in der alten Bundesverfassung verankerten Pressefreiheit (Art. 55 aBV) ein ungeschriebenes ver- fassungsmässiges Recht auf Meinungsfreiheit anerkannt (BGE 87 I 114 S. 117); siehe Auer / Malinverni / Hottelier, Band II, Rz. 493. 3Auch bei der Schaffung des Mediengesetzes von 2005 wurde bei Art. 40 LV aus- drücklich kein Handlungsbedarf gesehen; siehe BuA Nr. 82/2004, S. 19. 4Siehe Höfling, Grundrechtsordnung, Rz. 40. Höfling verweist hierzu auf die StGH 1965/1, ELG 1962–1966, 225 (226), wo der Beschwerdeführer von der Regierung unter anderem unter Berufung auf die Pressefreiheit verlangte, dass die von ihm he- rausgegebene Zeitung wie die beiden etablierten Tageszeitungen als amtliches Pu- blikationsorgan zugelassen werde. Der Staats gerichtshof erachtete die Beschwerde als «unzulässig», da kein entsprechender Anspruch bestehe, «ebenso wenig wie jemand einen Anspruch darauf hat, dass ihm die Lieferung von Büromaterial für 12
	        

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