Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

dass die Kultusfreiheit sowohl Akte der individuellen als auch der kol- lektiven Religionsausübung umfasst. Danach hat nämlich der Einzelne das Recht, «seine Religion allein oder in Gemeinschaft mit anderen öf- fentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Be- achtung religiöser Gebräuche auszuüben».78Es lassen sich die durch die Kultusfreiheit geschützten individuellen Kultushandlungen von der reli- giösen Betätigung, die zum Schutzbereich der Glaubens- und Gewis- sensfreiheit zählt, nicht eindeutig auseinanderhalten, sodass nach der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung die Kultusfreiheit als «Bestandteil und Ausfluss der Glaubens- und Gewissensfreiheit» (ein- schliesslich Weltanschauungsfreiheit) zu betrachten ist.79Die Kultusfrei- heit ist die Konsequenz aus der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und bildet mit diesen sowie der Gewissensfreiheit das Gesamtgrundrecht der Religionsfreiheit.80So gesehen deckt sich die in Art. 37 LV gewährleis- tete Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit inhaltlich mit Art. 9 EMRK. Die Kultusfreiheit ist nicht nur auf Akte der religiösen Betätigung ausgerichtet, die in irgendeiner Weise mit gottesdienstlichem Geschehen zu tun haben (Kultusfreiheit im engeren Sinn). Sie schliesst auch alle sonstigen öffentlichen oder privaten Formen von Äusserungen religiöser oder nichtreligiöser (areligiöser) Überzeugungen ein (Bekenntnis - freiheit). Die Kultusfreiheit umfasst aber auch die Freiheit, keinen reli- giösen Glauben oder nichtreligiöse Weltanschauungen manifestieren zu müssen.81 Die Gewährleistung der Kultusfreiheit beinhaltet auch einen Schutzanspruch gegen den Staat, Störungen der Religionsausübung 185 
Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit 78Vgl. auch StGH 2007/91, Urteil vom 14. April 2008 (im Internet abrufbar unter <www.stgh.li>), S. 18 Erw. 6. 79Für die schweizerische Lehre und Rechtsprechung siehe Häfelin, Art. 49 altBV, Rz. 48, und Kraus, Staatskirchenrecht, S. 87 f.; vgl. zur begrifflichen Abgrenzung nach deutschem Recht Listl, Kirchenfreiheit, S. 454, der von inhaltlichen Überlage- rungen und Überschneidungen spricht. 80So Grundmann, Kultusfreiheit, S. 385. Siehe schon oben Rz. 16generell zur Religi- onsfreiheit als Sammelbegriff. 81Lienbacher, Rechte, Rz. 26; Hafner, Gewissensfreiheit, Rz. 5. Vgl. etwa das Ablegen eines religiösen Eides gemäss Art. 54 Abs. 1 und 108 LV oder § 336 Abs. 5, 6 und 7 ZPO, die im Widerspruch zu Art. 9 Abs. 1 EMRK stehen. Dazu Wille H., Recht, S. 92 und oben Rz. 26.34 35
	        

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