Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Ulrich Zelger 
4.  Bundesvertrag 
Mit dem Fall Napoleons brachen die alten Gegensätze wieder auf. Jene 
Kantone, die schon im Ancien Regime bestanden hatten und seither Teile 
ihrer Gebiete verloren hatten, verweigerten zuerst erfolglos die Aner- 
kennung der neu entstandenen Kantone. Dann forderten sie erfolgreich 
Entschädigungen, die teils aus den Gebieten des aufgelösten Bistums Ba- 
sel, teils in Geld geleistet wurden und setzen im Bundesvertrag 1815 
grösste kantonale Freiheit und eine schwach ausgebaute Zentralgewalt 
durch. In den Kantonen selbst gelang es zumeist, die Macht der alten 
Führungsschichten zumindest de facto wiederherzustellen. 
Der Bundesvertrag vom 7. August 1815 organisierte die Eidgenos- 
senschaft nach vorherrschender traditioneller Lehre als Staatsbund sou- 
veräner Kantone.' Sein primäres Ziel war die Sicherstellung der inneren 
und äusseren Sicherheit, er war daher vor allem eine Verteidigungsalli- 
anz.? Bei genauer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Verbindung 
dichter war: Dies erkennt man besonders gut an den Aussenbeziehun- 
gen, der Gewährleistung der Kantonsverfassungen, der Regelung von 
Streitigkeiten zwischen den Kantonen und der Beständigkeit der Ver- 
bindung unter ihnen. Auch der Bundesvertrag enthielt keine Ände- 
rungsklauseln. 
Der Bund war wichtigster Akteur der Aussenbeziehungen. Schon 
1813 betrachteten die Grossmächte die Eidgenossenschaft, nicht aber die 
Kantone, als ihren primären Ansprechpartner, und forderten nach- 
19 So u.a. Schollenberger , Jakob, Das Bundesstaatsrecht der Schweiz, Geschichte und 
System, Berlin 1902, S. 126; Ruck, Erwin, Schweizerisches Staatsrecht, 3. Aufl., Zü- 
rich 1957, S. 8.; Lampert, Ulrich, Das schweizerische Bundesstaatsrecht, Systemati- 
sche Darstellung mit dem Text der Bundesverfassung im Anhang, Zürich 1918, S. 6; 
so wohl auch Aubert, Jean-François, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Fassung von 
1967, Neubearbeiteter Nachtrag bis 1990, Band 1, Basel, Frankfurt 1991, Rz. 35; 
Hilty, Carl, Die Bundesverfassungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zur 
sechsten Säcularfeier des ersten ewigen Bundes vom 1. August 1291 geschichtlich 
dargestellt im Auftrag des Schweizer. Bundesrathes, Bern, 1891, S. 377; Bluntschli, 
Johann Caspar, Geschichte des schweizerischen Bundesrechts von den ersten ewi- 
gen Bünden bis auf die Gegenwart, Band 1, 2. Aufl. Stuttgart 1875, Nachdruck Va- 
duz 1977, S. 484. Text des Bundesvertrags: http://modern-constitutions/CH-00- 
1815-08-07-de-i.html 
20 | De Mortagnes, René Pahud, Schweizerische Rechtsgeschichte, Ein Grundriss, Zü- 
rich, St. Gallen 2007, S. 167; Kólz, Alfred: Neuere Schweizerische Verfassungsge- 
schichte, Ihre Grundlinien vom Ende der Alten Eidgenossenschaft bis 1848, Bern 
1992, S. 184 f. 
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