Thomas Bruba/ Emilia Breuss
Im eingangs erwähnten Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsge-
richts vom 30. Juni 200933 wird diese Begrifflichkeit nun wieder aufge-
nommen und wie folgt beschrieben:
«Der Begriff des Verbundes (also: des Staatenverbundes) erfasst
eine enge, auf Dauer angelegte Verbindung souverän bleibender
Staaten, die auf vertraglicher Grundlage öffentliche Gewalt ausübt,
deren Grundordnung jedoch allein der Verfügung der Mitglied-
staaten unterliegt und in der die Völker — das heisst die staatsange-
hörigen Bürger — der Mitgliedstaaten die Subjekte demokratischer
Legitimation bleiben.»
Oder kurz: die Europäische Union sei nicht mehr als eine
«Vertragsunion souveräner Staaten».
Damit wird dem politischen System der Europäischen Union nicht nur
der Charakter einer genuin eigenständigen politischen Einheitsbildung
zwischen den Polen — oder besser — jenseits von Bundesstaat und Staa-
tenbund abgesprochen; ungeschminkt wird auch «dekretiert», dass die
Europäische Union nicht als ein Bundesstaat im Werden verstanden
werde dürfe:
«Nicht nur aus der Sicht des Grundgesetzes handelt es sich bei der
Beteiligung Deutschlands an der Europäischen Union indes nicht
um die Übertragung eines Bundesstaatsmodells auf die europäische
Ebene, sondern um die Erweiterung des verfassungsrechtlichen Fö-
deralmodells um eine überstaatlich kooperative Dimension. Auch
der Vertrag von Lissabon hat sich gegen das Konzept einer euro-
päischen Bundesverfassung entschieden, in dem ein europäisches
Parlament als Repräsentationsorgan eines damit konstitutionell
verfassten neuen Bundesvolkes in den Mittelpunkt träge. Ein auf
Staatsgründung zielender Wille ist nicht feststellbar.»3e
Mit diesen und anderen Ausführungen im Urteil nimmt das Bundesver-
fassungsgericht schwerwiegende normative Beschreibungen, Beschnei-
33 Anm.1.
34 Ziffer 229 der Entscheidung, Hervorhebung durch die Verf.
35 Leitsatz 3 der Entscheidung.
36 Ziffer 227 der Entscheidung, Hervorhebung durch die Verf.
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