Europäische Integration als föderaler Prozess
unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten zu verstehen ist.?! Für die
Deutung der Gründungsverträge als «Verfassung» der Europäischen
Union ist dies ausführlich begründet worden.? Die «Verfassungsleseart»
der Gründungsverträge wird weithin akzeptiert, wenn es auch gewich-
tige Gegenstimmen gibt.? Wenn dies so ist, dann ist auch eine «föderale
Leseart» der Gründungsverträge legitim. Föderalismus ist ein allgemei-
nes Ordnungs- bzw. Organisationsprinzip, dessen Ziel die Herstellung
eines einheitlichen Ganzen bei gleichzeitiger Wahrung der Vielfalt der
Einzelteile ist.?* «Einheit in der Vielfalt — Vielfalt in der Einheit»? und
das hierauf ausgerichtete Zusammenspiel von «Integration und Subsi-
diarität»? sind seine Bauprinzipien. Niemand bestreitet, dass diese
Grundsätze auch die Konstruktionsprinzipien der Europäischen Union
sind.7 Die Europäische Union ist als Föderation zu verstehen.?
21 Siehe Peter Häberle, Europäische Verfassungslehre, 4. Aufl. 2006, S. 284 ff.; Armin
von Bogdandy, Grundprinzipien, in: ders. / Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungs-
recht, 2. Aufl, Berlin 2009, S. 13 ff., 17 ff. (ausfiihrlichere Nachweise bei Breuss,
Anm. 2, S. 4).
22 Siehe statt vieler Anne Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas,
2001, S. 163 ff; ferner Armin von Bogdandy /Jürgen Bast (Hrsg.), Europáisches
Verfassungsrecht, 2. Aufl., Berlin 2009. Ausführlich zum Ganzen im Rahmen der
Fragestellung dieses Beitrags zuletzt auch Breuss (Anm. 2), 5. 17 ff.
23 Insbesondere Dieter Grimm, Braucht Europa eine Verfassung?, Juristenzeitung
1995, S. 581 ff. und zahlreiche weitere Schriften.
24 Breuss (Anm. 2), S. 44 m. w. N.
25 Peters (Anm. 22), S. 183
26 Grundlegend Stefan Oeter, Integration und Subsidiaritát im. deutschen Bundes-
staatsrecht - Untersuchung zur Bundesstaatstheorie unter dem Grundgesetz, 1998;
ferner Daniel Halberstam, Zur Theorie und Praxis des Föderalismus: Subsidiarität,
Integration und der sanfte europáische Verfassungswandel, in: Joerges / Mahlmann/
Preuss (Hrsg.), Schmerzliche Erfahrungen der Vergangenheit und der Prozess der
Konstitutionalisierung Europas, 2008, S. 150 ff.
27 Siehe etwa Siegfried Magiera, Föderalismus und Subsidiarität als Rechtsprinzipien
der Europäischen Union, in: Schneider / Wessels (Hrsg.), Fôderale Union — Europas
Zukunft?, 1994, 5. 71 ff.; Thomas Bruha, Das Subsidiaritätsprinzip im Recht der Eu-
ropäischen Gemeinschaft, in: Riklin / Batliner (Hrsg.), Subsidiarität. Ein interdiszip-
linäres Symposium, Liechtenstein Politische Schriften Bd. 19, 1994, 5. 373 ff., 378 ff.
28 Siehe aus dem deutschsprachigen Schrifttum (in chronologischer Folge) Hartwig
Bülck, Föderalismus als nationales und internationales Ordnungsprinzip, in: Veröf-
fentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (VVDStRL) Bd. 21
(1964), S. 1 ff; Heinhard Steiger, Staatlichkeit und Überstaatlichkeit. Ein Untersu-
chung zur rechtlichen und politischen Stellung der Europäischen Gemeinschaften,
1966; Ulrich Everling, Zur föderalen Struktur der Europäischen Gemeinschaft, in:
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