Liechtenstein und nie von der «1. Russischen National-
armee der Deutschen Wehrmacht» Holmstons. Vom
Landesarchiv hat Paul Salamay schliesslich Internier-
ten-Listen und von Henning von Vogelsang dessen Bü-
cher zur Holmston-Armee? erhalten. Alles in Deutsch —
doch Paul Salamay spricht Franzósisch.
2016 hat Paul Salamay im Frühjahr das Heimatdorf
des Vaters in Polen besucht, im Herbst dann Liechten-
stein. Hier hat erim Landesmuseums-Shop in Vaduz das
Buch «Russen in Liechtenstein» (Peter Geiger / Manfred
Schlapp) entdeckt und darauf mit dem Verfasser
E-Mail-Kontakt aufgenommen. Die Kommunikation
zwischen Paul Salamay und dem Verfasser erfolgt auf
Franzósisch.
Paul Salamay lebt in Périgueux. Er hat dem Verfasser
seine ausführliche Familiengenealogie? sowie Doku-
mente und Fotos zur Geschichte seines Vaters! zur Ein-
sicht gegeben und zusätzliche schriftliche Fragen beant-
wortet. Er hat sich einverstanden erklärt mit dem Plan
des Verfassers, nach weiteren Recherchen im Landes-
archiv und unter Einbezug jener Familien-Materialien
das Leben des Holmston-Internierten Josef Salamaj in
diesem Beitrag für das Historische Jahrbuch zu schil-
dern. Der Verfasser dankt Paul Salamay sehr. Aus des-
sen «Genealogie» im Folgenden verwendete Zitate hat
der Verfasser ins Deutsche übersetzt.
Der Name Salamaj/Salamay
Die Schreibweise des Namens spiegelt die verschie-
denen Lebensstationen. Er lautete ursprünglich «Sala-
maj», ab 1947 dann «Salamay», wegen der Aussprache,
nämlich Französisch «-ay» wie «-ai» (deutsch «-ä»). In
liechtensteinischen Dokumenten 1945 bis 1947 schwankte
die Schreibweise teilweise bereits, ebenso jene des Vor-
namens: «Osyp», «Josef», schliesslich «Joseph». Im Fol-
genden wird bis zur Ausreise aus Liechtenstein «Josef
Salamaj» verwendet, danach «Joseph Salamay».
Exemplarisches Zeugnis der Zeitgeschichte
So kann hier aus der Zahl jener Menschen, welche der
Krieg 1945 nach Liechtenstein gespült hat, ein einzelnes
Schicksal herausgegriffen und nachgezeichnet werden,
das Leben von Josef Salamaj, geboren 1924, gestorben
2008.
Die unterschiedlichsten Komplexe und Konflikte
rücken ins Licht, insbesondere jene seit dem Ende des
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017
Ersten Weltkriegs im Grenzgebiet Polen-Ukraine-Sowjet-
russland, ab 1939 die dortigen Kollaborations- und
Widerstandsbewegungen unter deutscher und sowjeti-
scher Besetzung, 1945 die Fluchtwelle, die Internierung
in Liechtenstein, die Versprechen der sowjetischen Repat-
riierungskommission, das Drángen der hiesigen Behór-
den auf Ausreise, die Suche nach einem Emigrationsland
in Übersee, die Integration in den Aufnahmeländern
samt Familiengründung, der bleibende Verlust von Her-
kunftsfamilie und Heimat hinter dem Eisernen Vorhang.
Zu beginnen ist mit der Herkunft und Jugend von Josef
Salamaj.
Josef Salamajs Herkunft
Im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet
Josef Salamaj wurde am 16. Màrz 1924 in Rzeplin ge-
boren, einem kleinen Bauerndorf mit hólzernen Hàu-
sern, gelegen in Galizien, im nórdlichen Karpatenvor-
land, im Grenzgebiet zwischen den heutigen Staaten Po-
len, Slowakei und Ukraine. Bis 1918 zum Kronland Gali-
zien und Lodomerien der ósterreichisch-ungarischen
Monarchie gehórend, fiel es an das wiedererstandene
Polen, war kurzfristig Teil einer unabhängigen Ukraine
und war ab 1921 wieder polnisch, im Distrikt Krakau.
Die Dörfer in jenem Grenzgebiet waren eth-
nisch-sprachlich gemischt, polnisch, ukrainisch und jü-
disch. Ethnische Spannungen herrschten, in jedem Dorf,
in jeder Stadt. Im Weltkrieg brachen sie tödlich auf.
1 Peter Geiger / Manfred Schlapp: Russen in Liechtenstein. Flucht
und Internierung der Wehrmacht-Armee Holmstons 1945-1948.
Vaduz, Zürich, 1996, S. 183, dort Nr. 469 in der «Rückwandererliste
der Internierten in Liechtenstein».
2 Henning von Vogelsang: Nach Liechtenstein — in die Freiheit. Der
abenteuerliche Weg der «1. Russischen Nationalarmee der Deut-
schen Wehrmacht» ins Asyl im Fürstentum Liechtenstein, Triesen
1980. - Henning von Vogelsang: Kriegsende — in Liechtenstein.
Das Schicksal der Ersten Russischen Nationalarmee der Deut-
schen Wehrmacht. Freiburg i. Br., 1985. - Henning von Vogelsang:
Die Armee, die es nicht geben durfte. Ulm-Kisslegg, 1995.
3 Paul Salamay: Généalogie. L'Histoire en héritage: Chantemille
& Salamay de Lichtenberg. Unveróffentlichtes Manuskript. Péri-
gueux, 2017, 327 Seiten. Nachfolgend bei Zitaten vermerkt: Paul
Salamay: Généalogie (Ms.).
4 Privatarchiv Paul Salamay, Périgeux: Dokumente und Fotos.
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