Volltext: Jahrbuch (2017) (116)

Zusammen mit mehreren Männern kehrte Ferdinand 
Sele wieder zum Unglücksort zurück. Sie trugen den 
Leichnam auf einer Bahre in das Elternhaus. Dort be- 
nachrichtigte Sele die Mutter vom Tode ihres Sohnes. 
Sele konnte sich gemäss seiner Aussage nicht erinnern, 
«das Eheweib des Schädler ... angegangen zu haben, 
nicht die Wahrheit zu sagen; dies ist lediglich eine Aus- 
rede von diesem Weibe». 
Nach Seles Meinung hatte sich das Unglück folgen- 
dermassen abgespielt: Das Gewehr Schädlers entlud sich 
dadurch, dass der gespannte Hahn an einem Gestrüpp 
hängen blieb und losging. Schädler hatte das Gewehr am 
Morgen mit einer Kugel geladen. Schädler lag nach dem 
Schuss auf dem Boden, und zwar auf der rechten Seite. 
Das Gewehr befand sich ebenfalls rechts des Leichnams, 
knapp an der Brust. Wahrscheinlich, so vermutete Sele, 
wollte Schädler das Gewehr mit der linken Hand heben, 
als er aufstand und blieb mit dem gespannten Hahn im 
Gestrüpp hängen. 
Zum Schluss bemerkte Sele, dass er sich nicht mehr 
zu helfen wisse, «denn dieser Vorfall erweckt in mir un- 
geheuer Gewissensbisse». 
Landesverweser von Hausen trat das Erhebungspro- 
tokoll dem Landgericht «zur weiteren Amtshandlung» 
ab, nachdem Ferdinand Sele des Wilddiebstahls über- 
führt erscheine.* 
Am 11. September nahm Landesverweser von Hau- 
sen ein Protokoll mit Gottlieb Schädler in Vaduz auf. 
Schädler war 30 Jahre alt, verheiratet und Vater eines 
Kindes.” Er war verschwägert mit Ferdinand Sele, des- 
sen Frau eine Schwester Schädlers war. 
Gottlieb Schädler machte zum Vorgang des Unglücks- 
falles folgende Angaben: 
Er war «in der jüngsten Zeit» mit Ferdinand Sele und 
Josef Schädler bei einer Jagd auf Hochwild und Gämsen, 
welche der Forstinspektor mit dem Finanzwachmeister 
in den Alpen abgehalten hatte, als Treiber eingestellt 
worden. Bei dieser Gelegenheit verabredeten sich die 
drei, «ebenfalls eine Jagd auf eigene Faust zu machen». 
Seine weiteren Angaben über den Ablauf des Unglücks- 
falles deckten sich grösstenteils mit der Aussage von Fer- 
dinand Sele. Er ergänzte dies lediglich mit der Feststel- 
lung, dass sie das Fleisch eines eventuell erlegten Wildes 
als gemeinschaftliche Beute behandelt hätten. 
Auffällig ist die insgesamt doch recht deckungsglei- 
che Aussage der beiden Zeugen. Dies betrifft etwa 
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017 
Zeitangaben (um 4 Uhr Nachmittags machten sie sich 
auf den Heimweg) oder die Detailangaben zur Lage der 
Leiche (lag auf der rechten Seite, das Gewehr an die 
Brust gedrückt und nach links herübergezogen). 
Gottlieb Schädler erklärte abschliessend, dass er so er- 
schrocken gewesen sei, dass er «zu nichts mehr fähig» 
auf Bargälla geblieben sei, als einige Männer von dort 
wieder nach Garsälli gingen, um die Leiche nach Hause 
zu tragen. 
Er bekräftigte auch die Aussage Seles, dass die Leiche 
nicht vor dem Haus von der Bahre genommen, sondern 
in der Wohnstube auf die Bank gelegt worden sei. 
Mit der Familie des Verunglückten hatte Schädler we- 
nig Kontakt, da er bei seinem Schwiegervater Altrichter 
Johann Beck? (Haus Nr. 67) wohnte und die beiden 
Wohnhäuser in grösserer Entfernung standen. 
Mit dieser Einvernahme war die von der Regierung 
durchgeführte Untersuchung über den Ablauf des Un- 
glücksfalles abgeschlossen. Die Regierung konnte offen- 
sichtlich kein Fremdverschulden feststellen. Sie ging von 
einer durch unglückliche Umstände verursachten Selbst- 
tötung aus. 
Urteil des Landgerichts 
Einvernahme von Ferdinand Sele und Gottlieb Schädler 
durch das Landgericht 
Bereits am 10. September hatte der Landesverweser 
den Fall zur weiteren Untersuchung wegen Wilddieb- 
stahls an das Landgericht abgetreten. Landrichter Mar- 
kus Kessler lud Ferdinand Sele und Gottlieb Schädler für 
den 16. September vor. 
34 LI LA J 003/S 1871/073; Protokoll der Befragung des Ferdinand 
Sely durch Landesverweser von Hausen am 9. September 1871. 
85  Kulmen: Übergang des Rheintales ins Saminatal oberhalb des al- 
ten Tunnels. Teilweise wird auch der gesamte Berggrat zwischen 
Saminatal und Rheintal mit Kulm bezeichnet. Siehe Namenbuch, 
Band 2, S. 133-134. Siehe auch: http://geodaten.llv.li/geoportal/ 
flurnamenkarte.html. 
36 LI LA ] 003/S 1871/073; Schreiben des Landesverwesers an das 
Landgericht vom 10. September 1871. 
37 LILA J 003/S 1871/073; Protokoll aufgenommen bei der fürst- 
lichen Regierung mit Gottlieb Schádler in Vaduz am 11. Septem- 
ber 1871. 
38 Johann Beck (1821-1897) von Triesenberg. Siehe Familienchronik 
Triesenberg, Band 2, S. 22. 
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