Schliesslich gab die liechtensteinische Polizei noch jedem
Internierten der ukrainischen Gruppe, so auch Salamaj,
die schriftliche Bestätigung, dass er «während seines
Aufenthaltes in Liechtenstein zu keinerlei Klagen Anlass
gegeben hat und gegen ihn nichts Nachteiliges bekannt
ist.» Mit diesem Leumundszeugnis konnten sie sich in
der Fremde um Wohnung, Studium oder Arbeit bewer-
ben.
Abreise aus Liechtenstein 1947, Ziel Kanada
Damit war der Weg zur Ausreise endlich frei. Am
25. September 1947 fuhren 15 Internierte ab, darunter
Sinski, Salamaj und Bury, mit der Bahn ab Buchs glei-
chentags über Zürich und Basel nach Paris. Polizist
Gantner begleitete sie durch die Schweiz bis Basel.** Josef
Salamaj hatte neben seinen Ausweisen und Kleidern
praktisch nichts dabei — ausser einer Uhr am Handge-
lenk und 30 Päckchen Zigaretten in der Tasche.”
Holmston und Frau reisten wenige Tage darauf, am
1. Oktober 1947, Richtung Buenos Aires, per Flugzeug.
Noch weilten einige Internierte im Land, sie alle
emigrierten nach Argentinien. Einige konnten noch Fa-
milienangehörige aus Deutschland abwarten und mit-
nehmen. Die letzten vier Internierten verliessen Liech-
tenstein am 20. Februar 1948.
Fast zweieinhalb Jahre hatte Josef Salamaj in Liech-
tenstein verbracht, wartend, arbeitend, studierend. Bis
zum Sommer 1947 hatte er noch mit Bury zusammen
Unterrichtsstunden im Marianum besucht. Und bis drei
Tage vor der Abreise hatte er noch in der Strickerei «Eta-
blissements Schneider» in Schaan gearbeitet. Die vom
Fabrikdirektor zum Abschied geäusserten Wünsche für
«das beste Glück auf seinen weiteren Wegen» benötigte
er. Die Zukunft lag im Ungewissen. Nachrichten von der
Familie hatte er keine, auch nicht vom Bruder Vladimir.
In Paris gestrandet — wohin weiter?
Josef Salamaj beherrschte zwar viele Sprachen, aber nicht
Franzósisch. Am Collegium Marianum hatte er Englisch
belegt. Er rechnete nicht mit lángerem Aufenthalt in
Frankreich. Doch lernte er in Frankreich die Sprache of-
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 116, 2017
fenbar rasch. Auch schrieb er sich, wie erwáhnt, fortan
«Joseph Salamay».
Schwierigkeiten mit dem «Central Ukrainian
Relief Bureau»
Die Ukrainer wollten von Paris aus so schnell wie
móglich nach Kanada weiterziehen. Doch unerwartete
Schwierigkeiten taten sich auf. Alle besassen ein franzósi-
sches Transitvisum mit dem Recht auf einmonatigen
Aufenthalt in Frankreich, somit gültig bis zum 24. Okto-
ber 1947. Die Weiterreise samt Visum für Kanada hatte
Panchuk, der Direktor des «Central Ukrainian Relief Bu-
reau» in London zu organisieren versprochen. Für die Fi-
nanzierung hatte die liechtensteinische Regierung vorge-
sorgt. Jeder liechtensteinische Internierten-Arbeitgeber
hatte pro Tag und Person 3 Franken vom Lohnanteil an
die Landeskasse abgeliefert. Daraus erkannte die Regie-
rung jedem Abreisenden 1500 Franken als Reisegeld zu.
Das Geld hatte die Regierung aber den nach Frankreich
gereisten Ukrainern nicht direkt ausgehàndigt, sondern
es für sie an Panchuk auf eine Bank in der Schweiz über-
wiesen, für 12 Ukrainer zusammen 18 000 Franken.
Doch kaum waren die Internierten in Paris, kümmerte
sich Panchuk nicht mehr um sie. Es stellte sich nun her-
aus, dass er nur die Reise nach Frankreich arrangiert
hatte, das Reisegeld der Ukrainer aber einem andern
Zweck zuzuführen plante.
So sassen die Ukrainer in Paris fest, zusehends ver-
zweifelt. Am 1. Juni 1948 ersuchte schliesslich die in
Frankreich gestrandete «Gruppe der Ukrainer», unter
ihnen Sinski, Salamaj und Bury, den «Hauptmann Pan-
chuk» in einem Brief, sich dafür einzusetzen, dass jeder
von ihnen jene 1500 Franken erhalte. Sie seien «ir sehr
schweren materiellen Verhältnissen», ohne Mittel für die
Ausreise nach Übersee und ohne Visum.” Erfolg hatten
sie bei Panchuk nicht.
49 LILA RF 230/043 t/88.
50 LILA RF 230/043 t/89.
51 LILA RF 230/043 t/91.
52 LILA RF 230/043 p/60.
53 22. September 1947, LI LA RF 230/043 t/90.
54 LI LA RF 230/043 t/68, 230/043 t/69 und 230/043 t/91. — Peter
Geiger / Manfred Schlapp: Russen in Liechtenstein, S. 183.
55 PaulSalamay: Généalogie (Ms.), S. 274.
56 LILA RF 230/043 p/59.
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