Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

92Korody István P.: Josef Gabriel Rheinberger und 
Ungarn 
Emmerich Kálmán ist bei uns allen sehr beliebt und be- kannt. Er kam vom Plattensee (Siófok) nach Budapest und schrieb sich gleichzeitig wie Kodály an der Mu- sikakademie und an der Universität ein. Bald vernach- lässigte er aber sein Jus-Studium und konzentrierte sich auf das Studium der Musik. So wie Bartók, war auch er vier Jahre lang Koessler-Schüler. Er beschrieb eine Kom- positionsstunde wie folgt: «Was bringst Du, mein Sohn? – fragte der Meister. Der Delinquent setzte sich zum Kla- vier, die anderen standen um ihn herum. Als das Spiel beendet war, begann die Besprechung. Nacheinander mussten die Kollegen das eben gehörte Stück kritisieren. Die armen Sünder mussten manch hartes Wort über sich ergehen lassen, denn die Kollegen fielen gewöhnlich wie die Bluthunde über die Komposition her . . . Zum Schluss sprach der Meister selbst. Er analysierte und kritisierte zuerst die Komposition, dann besprach er unsere Kritik . . . Wenn ihr von mir weggeht, könnt ihr machen was ihr wollt, aber ich mache euch darauf aufmerksam, dass ihr ohne gründliche kontrapunktische Kenntnisse nicht einmal einen Walzer oder einen gewöhnlichen Marsch werdet instrumentieren können! – sagte uns einmal der Meister. Als ich dann später über meinen Operetten- partituren gesessen bin, dankte ich Gott, dass ich diese Lehre befolgt hatte.»24 Es ist wohl abschliessend nun eine passende Gelegen- heit, diese Aussage mit einem Bericht von Georg Hild, einem der letzten Rheinberger-Schüler, zu vergleichen. Dieser schreibt: «Die Kontrapunktstunde selbst begann mit der Durchsicht der häuslichen Arbeiten, meist Fort- setzung oder Beendigung einer in der vorhergehenden Stunde begonnenen Choralfiguration, Fuge, Instrumen- tation usw. . . . Während dieser Tätigkeit hatte ein Schüler die für die betreffende Stunde in Aussicht genomme- nen Aufgaben an die Tafel zu schreiben. Nachdem dann Rheinberger Art und Form der Ausführung besprochen, wie auch auf voraussichtige Schwierigkeiten und deren Behebung hingewiesen hatte, ging es an die Ausführung. Der an die Tafel gerufene oder sich freiwillig meldende Schüler hatte dann Gelegenheit, sein Können unter Be- weis zu stellen. Seine Versuche wurden von Lehrer und Schüler aufmerksam verfolgt und kommentiert. Geriet der an der Tafel waltende Kunstjünger ins Stocken, so galt es, Vorschläge zu machen, die dann der Meister kurz und sachlich erörterte. . . . Wenn (die Lösung) gelang, be- kundete der Meister eine offensichtliche Freude. . . . Ge-arbeitet 
wurde nur in alten Schlüsseln. Die Konzepte aus dem Unterricht mussten zu Hause sorgfältig ins Reine geschrieben und zu fliessendem ‹Vorspielen› eingeübt werden. Darauf sah Rheinberger sehr . . .». 
25 Emmerich (Imre) Kálmáns Diplomstück war ein Or- chesterscherzo namens «Saturnalia». Das Werk wurde am 29. Februar 1904 durch die Ungarische Philharmonie aufgeführt. Interessanterweise erschien das Opus erst im Jahr 2001 bei der Edition «Swiss Music» in der Schweiz, und zwar in Winterthur. Später schliesslich hatte sich Kálmán nach und nach der leichten Muse angenähert. Bildnachweis S. 85, 88, 89: Amt für Kultur, Josef Rheinberger-Archiv, Vaduz S. 86: Liechtensteinische Post AG, Philatelie Liechtenstein, Schaan Anschrift des Autors Dr. 
István P. Korody, Neugasse 3, FL-9490 Vaduz 
24  Frey, Stefan: «Unter Tränen lachen». Emmerich Kálmán. Eine Operettenbiografie. Berlin, 2003, S. 28–29. 25  Kaufmann, Hans Walter: Joseph Rheinberger – Gedenkschrift zu seinem 100. Geburtstag, 17. März 1939. In: Jahrbuch des Histo- rischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein. Vaduz, 1940, S. 155–156.
	        

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