Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

64 Biedermann Klaus: Ein «sündiges Dreimäderlhaus» oder eher bittere Not und 
Armut? 
sen Besuche bei ihr: «Er ist das 1. Mal mit unserm Knecht hier ins Haus gekommen, nachher ist er allein gekom- men, und da hat er mir gesagt, ich solle in seine Küsse nur einwilligen, denn er liebe mich, und er habe vesst im Sinn mich zu heirathen, bloss jetzt könne es noch nicht seyn. Ich traute seinen Worten, und war so einfältig, ihm einzuwilligen.»18 
Katharina Dürr habe in der Folge dem Anton Hermann eine vertrauliche Mitteilung gemacht: Als er «von Vadutz hieher gekommen, hat [er] mich zum Tanz genommen, und da hab ich ihm angezeigt, dass ich mich schwanger glaube. Er aber erwiderte, er glaube das nicht. Die Blüthezeit19 könne vielleicht aus anderen Ursachen ausgeblieben seyn. Ich denke, dies wäre möglich, und dabey blieb es.»20 Darüber hinaus habe sie ihre Schwangerschaft geheim gehalten.21 Das Ortgericht Zizers verhörte am 16. März 1820 auch Anton Hermann aus Vaduz, «welcher die That nicht eingesteht, und, weil er eines heimatlosen Hinter- sässen Sohn ist, erwiedert, dass die Kinder auf den Na- men und Heimat ihrer Mutter getauft werden sollten.»22 Anton Hermann (* 1800) war in Wirklichkeit ein Sohn des Franz Anton Hermann (1770–1834), der zuerst als Hintersasse in Vaduz gelebt hatte und schliesslich 1798 als Bürger dieser Gemeinde aufgenommen worden war; unter diesem Blickwinkel stimmte die Aussage seines Sohnes Anton Hermann vor dem Ortsgericht Zizers nicht ganz. Franz Anton Hermann war Schloss-Schneider und stammte aus Sargans.23 Vor dem Oberamt in Vaduz leugnete Anton Her- mann erneut die Vaterschaft, doch er gab zu, mit dieser Frau Umgang gehabt zu haben. «Ich kann nicht in Ab- rede stellen, mit der Katharina Dürr zu thun gehabt zu haben, die Zeit weiss ich jedoch nicht genau anzugeben, es kann eben zwischen Pfingsten und Fronleichnam vo- riges Jahr geschehen seyn, allein ich bin überzeugt, und selbst die Person, die mich der Schwängerung beschul- digt, muss es, wenn sie gewissenhaft seyn will, eingeste- hen, dass nicht ich sie schwängerte, denn auch andere hatten mit ihr Umgang, und insbesondere soll sie mit dem Rudolf Pantle von Zitzers und Alexander Albrecht von Weissthannen sehr vertraut gewesen seyn, auch soll sich der Letztere wegen ihr vom Militärdienst los- gekauft haben.»24 
Damit lenkte Anton Hermann die Auf- merksamkeit auf andere Männer, mit denen Katharina Dürr sich abgegeben hätte und die als mögliche Väter in Frage kämen. Dennoch betonte er erneut, mit Katharina 
Dürr einen näheren Kontakt gehabt zu haben; gleichzei- tig urteilte er recht hart über diese Frau: «So muss ich im Vorhinein sie selbst auf den Umstand aufmerksam machen, dass sie mich selbst hiezu reitzte, mir fälschlich vorspiegelte, in Balzers Haus und Vermögen zu besitzen, und der gleichen.»25 Die Frage nach dem Vater der beiden Kinder ist offen geblieben. Zumindest das Ortsgericht Zizers glaubte der Aussage von Anton Hermann, indem es mit Schreiben vom 18. März 1820 an das Oberamt in Vaduz festhielt: «Wir haben nun Licht genug über diesen Gegenstand und sind vollkommen überzeugt, dass er nicht schuldig angeklagt 
ist.»26 Der Balzner Pfarrer informiert den Landvogt über gravierende Missstände Die Situation im gemeinsamen Haushalt von Katha- rina, Theresia und Elisabeth Dürr verschlechterte sich offenbar zusehends. Am 15. März 1826 informierte der Balzner Pfarrer Josef Anton Theuille den Landvogt Josef Schuppler in Vaduz über gravierende Missstände in die- sem Haushalt, die keinesfalls länger geduldet werden könnten. Er, der Pfarrer, sei dieser Situation nicht mehr gewachsen und müsse daher den Landvogt persönlich um Abhilfe und um ein entschlossenes Durchgreifen bit- ten. Der Inhalt dieses bemerkenswerten Schreibens sei im Folgenden wortgetreu wiedergegeben.27 «Hochwohlgebohrener, hochzuverehrendster Herr Landvogt! Es fällt meinem Herzen, mir als Seelsorger zu Balzers, schwer, das Ansehen und die Euer Hochwohlgeboren von Gott gegebene politische Gewalt, freylich wohl nur einzig zur Ehre Gottes in vor- waltenden Umständen in Anspruch zu nehmen, um durch Ihre Kraft das zu erwirken, was ich durch die Anwendung des heiligen Wortes, und durch meine heilsamen hirtlichen Ermahnungen gegen ganz in Fleisches-Begierden versunkenen Herzen nach oft wiederholten Versuchen nie erwirken konnte. Drey ledige Töchter, seit langem Elternlos, Catharina, There- sia und Elisabetha Dürr, sitzen in ihrem väterlichen Hause bei- sammen und bilden, in schandvollen Fleischesbegierden ergossen, eine förmliche Huren-Wohnung, finden sie eben nicht immer in Balzers Gelegenheit, ihre Leidenschaft zu befriedigen, so sind sie gegen die ihrem Geschlecht angeborene Schüchternheit schamlos genug, anderwärtig Gelegenheit aufzusuchen, ihre Leidenschaf- ten zu befriedigen. Catharina, die Älteste, hat bereits zwey Kinder
	        

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