Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

62 Biedermann Klaus: Ein «sündiges Dreimäderlhaus» oder eher bittere Not und 
Armut? 
In seinem gehaltvollen Sammelband «Beiträge zur Ge- schichte 842–1942. Gemeinde Balzers» veröffentlichte Franz Büchel 1987 einen Beitrag mit dem Titel «Ein sündiges Dreimäderlhaus». Zentral für seinen Beitrag war ein Schreiben des Balzner Pfarrers Josef Anton Theuille von 1826 an Landvogt Josef Schuppler in Va- duz. In diesem Schreiben klagte der Pfarrer über sittliche Missstände, die in einer elternlosen Familie in seiner Gemeinde herrschen würden. Konkret wurde das Ver- halten dreier Schwestern gerügt, die uneheliche Kinder zur Welt gebracht hatten. Franz Büchel gibt in seinem Beitrag die zentralen Passagen dieser Quelle wieder. Al- lerdings wird der Titel seiner Arbeit mit der Anspielung auf die Operette «Das Dreimäderlhaus» dem Schicksal und den Lebensumständen dieser drei jungen Frauen keinesfalls gerecht.1 Bei meinen Recherchen für die Forschungsarbeit über Einbürgerungen in Liechtenstein im 19. und frühen 20. Jahrhundert bin ich auf die oftmals prekären Lebens- umstände einzelner Hintersassen-Familien in Liechten- stein aufmerksam geworden. Als Hintersassen bezeich- nete man Personen und Familien, die in ihrer Wohnge- meinde über keine (oder nur eingeschränkte) Nutzungs- rechte verfügten. Solche Menschen waren entweder Leh- rer, Beamte oder Geistliche, oder sie verdienten – mehr- heitlich – ihren Lebensunterhalt als Kleinhandwerker, Mägde und Knechte. Einzelne Kleinhandwerker waren zumindest zeitweise zu einer nicht-sesshaften Lebens- weise gezwungen.2 Da Franz Büchel diese Quelle, die im Liechtenstei- nischen Landesarchiv liegt, nur unvollständig wiedergibt und der gesamte Sachverhalt des Schreibens von Inte- resse ist, wird die Quelle hier vollständig publiziert. Zu- dem wurden weitere Quellen zur Geschichte der Familie Dürr sowie zum Schicksal von Katharina, Theresia und Elisabeth Dürr gesichtet und ausgewertet. Ein Teil dieses Beitrags befasst sich aber auch mit dem Leben von Au- gustin Bühler aus Triesenberg, dem Vater eines uneheli- chen Sohnes von Katharina Dürr. Augustin Bühler entstammte sehr ärmlichen Verhält- nissen. Es darf angenommen werden, dass alle drei Töch- ter der Familie Dürr vor allem mit Männern verkehrten, die ebenfalls aus mittellosen Familien stammten. Dies kann in der Regel auch auf das Heiratsverhalten über- tragen werden. Bei Konkubinats- und Ehepaaren im 19. Jahrhundert stammten beide Partner zumeist aus einem 
ähnlichen sozialen Milieu.3 Diese Sichtung und Aus- wertung weiterer Quellen war teilweise erfolgreich. Es ergaben sich – bruchstückhaft – neue Erkenntnisse, die weitere Einblicke in das Leben dieser Menschen bieten, doch es konnten bei weitem nicht alle offenen Fragen beantwortet 
werden.4 Josef Anton Dürr und seine Familie in Balzers Anton Dürr, der Vater von Josef Anton Dürr, war ein Schuster aus Bildstein (Vorarlberg). Er heiratete 1766 in Balzers Elisabeth Conradt, eine Tochter des Michael Conradt. Letzterer war in den Rechnungsbüchern der Landesherrschaft 1764 und 1765 als zahlender Hinter- sasse in Balzers erwähnt.5 Michael Conradt war ein aus Grins im Tirol stammender Hausierer.6 Anton Dürr und Elisabeth Conradt hatten acht Kinder, von denen zwei als Säuglinge und ein Sohn als 17-Jähriger verstarben. Ihr Sohn Josef Anton Dürr (1772–1814) heiratete 1794 Maria Franziska Foser (1770–1814) aus Balzers. Die gemein- samen drei Töchter hiessen Katharina (* 1797), Theresia (* 1803) und Elisabeth (* 1804). Zwei weitere Kinder die- ser Familie verstarben als Säuglinge.7 Josef Anton Dürr tauchte im Jahr 1803 in den Akten auf, als er ein Grundstück in Balzers verkaufte. Der Käu- fer dieses Grundstücks war Landammann Franz Anton Frick. Im Kaufvertrag vom 6. Juni 1803 ist dieses Grund- stück genau definiert mit «¾ Theill Aker, in der Gamsill- fina genannt: Stoss auf werts an die Bedergross vein ger- ten: abwerts an dess Joseph Vogten und Michell Nigen sel: Baumgarten, gegen Berg an Ullrich Steger: gegen Rhein an Catharina Dürin: für und um eine Summa Gelt benantlich 150 fl.»8 Der Acker lag in der Flur 
Gamslafina, die sich südlich vom Gebiet 
Pralawisch befindet. Die im Dokument genannte Flur 
Pedergross (Pädergross) bezeich- nete Weingärten in der 
Balzner Allmein in östlicher, höher gelegener Nachbarschaft zu diesem verkauften Grund- stück.9 Die Gründe für diesen Bodenverkauf sind nicht be- kannt. Denkbar ist, dass sich Josef Dürr aus nicht be- kannten Gründen verschuldet hatte; der folgende Hinweis im genannten Kaufvertrag könnte darauf ver- weisen: Zur «Tilg oder Abführung ob benannter Kauff Summa» musste Franz Anton Frick auf Martini 1803 verschiedenen Gläubigern Geld bezahlen, und zwar
	        

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