Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

21 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 113, 
2014 
1422, mit dem er Streitigkeiten um die von Hartmann IV. von Werdenberg-Sargans-Vaduz hinterlassenen Schul- den schlichtete, wurden sogar explizit Regelungen ge- troffen, die es den Werdenberg-Sargansern ermöglichen sollten, Vaduz auszulösen.70 Bestrebungen zur tatsäch- lichen Auslösung von Vaduz sind jedoch keine bekannt; vermutlich war die Pfandsumme zu hoch, als dass sie von den Werdenberg-Sargansern hätte aufgebracht wer- den können. 1464 klagte jedoch Graf Georg von Wer- denberg-Sargans, die Freiherren von Brandis würden ihm das Lösungsrecht an der Grafschaft verweigern, und brachte so einen langwierigen Rechtshandel ins Rollen. Schliesslich sprach ein eidgenössisches Schiedsgericht 1466 den Werdenberg-Sargansern eine Abfindungs- summe von immerhin 4000 Gulden zu, wofür sie im Ge- genzug auf alle ihre Ansprüche verzichten mussten.71 Zur Stabilität der brandisischen Herrschaft trug eine Familienpolitik bei, die konsequent auf die Vermeidung einer Besitzzersplitterung ausgerichtet war. Wolfhart V. und Verena von Werdenberg-Heiligenberg hatten sechs Söhne. Zwei der Söhne, Rudolf und Ortlieb, wurden zu einer geistlichen Karriere bestimmt; drei, Wolfhart VI. (der ursprünglich ebenfalls eine geistliche Laufbahn ein- schlagen sollte),72 Sigmund I. und Georg blieben unver- heiratet; nur einer, Ulrich, heiratete. In erster Ehe war Ulrich mit Verena von Zimmern verheiratet, in zweiter Ehe mit Praxedis von Helfenstein, der Witwe von Hans von Kastelwart. An der Verwaltung der Herrschaften wa- ren jedoch alle Söhne beteiligt, auch die Geistlichen. Die unverheirateten Söhne, die grundsätzlich denselben An- spruch auf das elterliche Erbe hatten wie der zum Erhalt von «Stamm und Namen» (der Fortsetzung der Familie in der männlichen Linie) bestimmte Ulrich, dürften mit einem festen Besitzanteil oder einer Leibrente für ihren Heiratsverzicht entschädigt worden sein.73 Genaueres ist jedoch nur im Fall von Sigmund I. bekannt, der auf Leb- zeiten die Burg Marschlins erhielt.74 In dieses konflikt- trächtige Arrangement fügten sich alle Söhne; jedenfalls sind keinerlei innerfamiliäre Streitigkeiten überliefert. In der nächsten Generation kam es zu einer ähnlichen Rollenverteilung. Ulrich, der einzige verheiratete Sohn Wolfharts V., hatte bei seinem Tod 1486 nicht weniger als sieben legitime Nachkommen – sechs Söhne und eine Tochter – hinterlassen. Zwei Söhne, Johannes und Wolf- gang, wurden in den geistlichen Stand verwiesen; zwei, Werner III. und Thüring IV., bleiben unverheiratet; zwei, 
Ludwig und Sigmund II., heirateten und sollten die Kon- tinuität der Familie in der männlichen Linie wahren. Wie- derum blieben zunächst alle Brüder an der Herrschaft beteiligt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts, vielleicht in Zusammenhang mit der Heirat zwischen Sigmund II. und Katharina von Hewen 1495,75 
wurde anscheinend eine Teilung der herrschaftlichen Aufgaben vereinbart, die Sigmund II. Maienfeld und Blumenegg, Ludwig Va- duz und Schellenberg zuwies. Bei wichtigen Anlässen handelten die Brüder jedoch weiterhin gemeinsam.76 Die regionale Machtstellung der Brandiser wurde ge- festigt durch Ämter und Funktionen vor allem im Diens- te Österreichs sowie durch hohe kirchliche Positionen im Bistum Chur. Ulrich war von 1463 bis 1471 öster- reichischer Vogt in Feldkirch.77 Burkard, ein illegitimer Sohn von Wolfhart V., wurde 1466 österreichischer Vogt auf der Burg Gutenberg bei Balzers.78 Hans Nick, ein unehelicher Sohn Ulrichs, spielte ab 1487 eine nicht un- bedeutende Rolle in österreichischen (Kriegs)diensten.79 Burkard ist zudem belegt als bischöflich-churerischer Vogt in Fürstenau sowie als Churer Stadtammann.80 61  LUB II, Urk. vom 20. April 1441, 10. August 1446. 62  Clavadetscher/Meyer, Burgenbuch, S. 305. 63  Tschudi, Chronicon 10, S. 182–184, Anm. 77. 64  Niederstätter, Zürichkrieg, S. 173 f. 65  Rigendinger, Sarganserland, S. 363–369. 66  Clavadetscher/Meyer, Burgenbuch, S. 305; Thommen, Urkunden 4, Nr. 373 (28. April 1467). 67  LUB II, Urk. vom 14. Februar 1458. 68  Sablonier, Graf Hartmann, S. 20; Ladurner, Vögte von Matsch 2, S. 87 f., 91, 162, 198. 69  LUB I/5, Nr. 488 (6. Mai 1400); RI XI/1, Nr. 3441 (4. September 1418); RI XI/2, Nr. 10329 (30. April 1434). 70  RU, Nr. 148 (24. September 1422). 71  RU, Nr. 202 (11. März 1464); Tschudi, Chronicon 13/2, S. 273–275 (30. Mai 1464); RU, Nr. 204 (1. Juni 1464); LUB II, Urk. vom 25. Juni 1464, 14. Juli 1464, 4. März 1466. Vgl. Rigendinger, Sar- ganserland, S. 237. 72  LUB II, Urk. vom 1. April 1426. 73  Zum Erbrecht im Hochadel vgl. Spiess, Familie, S. 199–289. Zur Versorgung von unverheirateten weltlichen Söhnen vgl. ebenda, S. 296–301. 74  LUB II, Urk. vom 3. Januar 1492. 75  LUB II, Urk. vom 2. Dezember 1495, 17. Januar 1496. 76  Vgl. z.B. LUB II, Urk. vom 8. November 1498, 4. Februar 1500 (GemeindeA Fläsch U23), 14. Dezember 1501. 77  Burmeister, Kulturgeschichte, S. 112. 78  TLA, Urk. I, Nr. 1269 (14. Januar 1466). 79  Vgl. Burmeister, Brandis. 80  LUB II, Urk. vom Juli 1463, 7. Juli 1464, 17. Dezember 1471, 11. Mai 1472.
	        

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