Volltext: Jahrbuch (2014) (113)

143 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 113, 
2014Verschiebungen 
von Parteinamen und Profil Seit der Gründung des Bundesstaats verstand man un- ter den «Katholisch-Konservativen» die Anhänger des politischen Katholizismus. Sie rangen um eine gemein- same Benennung, kurzzeitig hiessen sie ab 1881 «Kon- servative Union», ab 1892 «Katholische Volkspartei», ab 1912 «Konservative Volkspartei», viereinhalb Jahrzehnte später dann 1957 «Konservativ-Christlichsoziale Volks- partei», seit 1970 bis heute nun «Christlichdemokratische Volkspartei» (CVP). Altermatt zeigt, was der «ewige Streit um den Parteinamen» bedeutete: «Katholisch» benannte das konfessionelle Profil; «Konservativ» betonte das po- litische Profil, für den Föderalismus, die Kantonshoheit, die Kirche, gegen zentralstaatliche (radikal-freisinnige) und sozialistische Tendenzen; «Volkspartei» beinhaltete den Anspruch, das Volk breit in allen Schichten zu ver- treten. Mit dem Weglassen des Teilbegriffs «Katholisch» versuchte die Partei 1912, sich auch für andere als ka- tholische Kreise zu öffnen – was nicht gelang. Mit der Ergänzung «Christlichsozial» 1957 wiederum wurde dem auf die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung ausge- richteten Flügel – der auch in eigenen Parteien organi- siert war – die Tür geöffnet. 1970 suchte man schliesslich mit «Christlichdemokratischer Volkspartei» einerseits alle Anhänger christlicher Werte anzusprechen, zugleich vom konservativen Image weg zu jenem einer moder- nen, breit verankerten Demokratie zu gelangen. Mit der 1970er Neubenennung gliederte sich die CVP in die  Familie der ab 1945 neu formierten Christdemokraten in Europa ein, etwa der deutschen CDU/CSU und der itali- enischen DC (Democrazia Cristiana). Parallelen zu den liechtensteinischen  Regierungsparteien Der katholischen, christdemokratischen Parteifamilie gehören auch die beiden 1918 gegründeten Parteien im Fürstentum Liechtenstein an. Wilhelm Beck, der die Zei- tung ‹Oberrheinische Nachrichten› 1912 ins Leben rief und sie zum Sprachrohr der 1918 gegründeten ersten liechtensteinischen Partei machte, nannte diese Partei «Christlichsoziale Volkspartei». Beck war in Flums im An- waltsbüro von Emil Grünenfelder tätig gewesen, dieser sass für die St. Gallische «Konservative Volkspartei», die 
tische Rechte erhielt (Gesetzesreferendum, Verfassungs- initiative), konnten Anliegen der katholisch-konserva- tiven und der sozialdemokratischen Opposition doch schrittweise verwirklicht werden. In Liechtenstein fand der konfessionelle Kulturkampf nicht Eingang, die Bevölkerung war unter der Herrschaft der Grafen von Sulz in der Reformationszeit katholisch geblieben. Liechtensteinische Arbeiter waren nicht im Land, sondern saisonweise in der Schweiz beschäftigt. Parteien entstanden hier vorerst nicht, eher standen sich im Landtag Interessen von Unter- und Oberland gegen- über. Aufwärtsweg der Katholisch-Konservativen Den Katholisch-Konservativen gelang in der Schweiz sukzessive der Aufstieg. Waren seit 1848 bis 1891 nur Freisinnige im Bundesrat gesessen, wurde 1891 erstmals ein Katholisch-Konservativer Mitglied des Bundesrats, neben weiterhin sechs Freisinnigen. Der Freisinn hielt nach wie vor die absolute Mehrheit auch in der Bun- desversammlung (National- und Ständerat). Die Sozial- demokratie, die den Kampf der sozialen Klassen propa- gierte, trat verstärkt als Opposition gegen den Freisinn und gegen die Katholisch-Konservativen auf. Die Letz- teren wurden «Juniorpartner in der ‹Bürgerblock›-Re- gierung», die sich nach dem sozialistischen Landesstreik von 1918 definitiv formierte. Mit dem 1919 eingeführten Proporzwahlrecht (zum Nationalrat) erlangten alle Par- teien erstmals eine anzahlmässig gerechte Vertretung. Den Katholisch-Konservativen wurde ein zweiter Sitz im Bundesrat zugestanden. Es folgte 1929 ein Bundesrats- sitz für die ab 1917 entstandene «Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei» (BGB, heute SVP plus BDP), 1943 schliess- lich erstmals ein Bundesratssitz für die «Sozialdemokra- tische Partei». 1959 einigten sich die vier Bundesratspar- teien auf die «Zauberformel» für den Bundesrat: 2 Frei- sinnige, 2 Konservative, 2 Sozialdemokraten, 1 BGB. Sie entsprach den proportionalen Wähleranteilen und war eine Konkordanzformel. Massgeblich vermittelt hatten sie katholisch-konservative-Exponenten. Die freiwillige Zauberformel kippte erst 2003. Heute (2014) hält die CVP noch einen Bundesratssitz, je zwei halten FDP und SP, je einen SVP und BDP.
	        

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