Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

184Rezensionen 
(S. 56). Hätten nicht die 405’000 Gulden, die Fürst Johann Adam I. Andreas achtzig Jahre später für die Herrschaf- ten Vaduz und Schellenberg bezahlte, auch ohne Kon- sortiumsgewinn und Rebellengüter aufgebracht werden können? Das Münzkonsortium und die liechtensteinische Landes- geschichtsschreibung7 Zutreffend hält Leins fest, dass sich die liechtenstei- nische Geschichtsschreibung nicht um die Erforschung des Münzkonsortiums bemüht habe. Die jüngere, sich seit etwa den 1970er Jahren allmählich professionalisierende und nur einen kleinen Historikerkreis umfassende Lan- desgeschichtsforschung konzentriert sich bis heute fast ausschliesslich auf das 19. und 20. Jahrhundert; die frühe Neuzeit war allenfalls Gegenstand vereinzelter universi- tärer Diplomarbeiten. Der Geschichte des Fürstenhauses ist keine grössere Forschungsarbeit eines/einer liech- tensteinischen Historikers/Historikerin gewidmet, erst recht nicht der Zeit vor der Gründung des Fürstentums 1719 oder gar dem Münzkonsortium. Das mag auch da- ran liegen, dass die fürstliche Geschichte vor 1699 kaum als Teil der Landesgeschichte wahrgenommen wird. Auch der schwerwiegendere Vorwurf, dass der Zu- sammenhang von Münzkonsortium, Güterkonfiskation und fürstlicher Güterakkumulation ausgeblendet werde (vgl. S. 25, 115), bestätigt sich in verschiedenen Publi- kationen. Mag bei Peter Kaiser (1847) noch Unkenntnis Grund der Nichterwähnung gewesen sein, behinderte später zweifellos auch die Verbundenheit mit dem Fürs- tenhaus lange eine kritische Auseinandersetzung mit dessen Geschichte8; spitz spricht Leins vom «hagiogra- phischen» Umgang (S. 119) der «patriotischen» Lan- deshistoriographie (S. 28, 115) mit der fürstlichen Ge- schichte. Tatsächlich findet zwar teilweise Karls Rolle bei der Aburteilung der böhmischen Rebellen und der bil- lige Erwerb konfiszierter Güter Erwähnung, kaum aber das Münzkonsortium.9 
Bezeichnenderweise ist auch in neueren Schulbüchern ersteres nur undeutlich darge- stellt, während letzteres fehlt.10 Dass «die jüngere Literatur der liechtensteinischen Landeshistorie ... das Thema gänzlich» verschweige (S. 115 Anm. 403), trifft in dieser Absolutheit jedoch nicht zu, ebenso wenig die reichlich weit hergeholte These, dass dies im Interesse des Finanzplatzes geschehe (S. 25). Schon die von Leins als «überaus treffend» (S. 26) er-achtete 
Bewertung des Münzkonsortiums durch Volker Press 1987 findet sich in einem Sammelband, der die Bei- träge eines Tübinger Oberseminars enthält, für welches der Historische Verein für das Fürstentum Liechtenstein das Patronat und die Organisation übernommen hatte und der im (Ko-)Verlag der Liechtensteinischen Akade- mischen Gesellschaft erschien.11 Behandelt wird die Betei- ligung Karls am «Münzkonsortium» auch in einem 1990 von Evelin Oberhammer, der damaligen Leiterin des fürstlichen Hausarchivs, herausgegebenen Band; Ober- hammer weist etwa darauf hin, dass die daraus resultie- renden Gewinne die «Besitzakkumulationen in großem Umfang wesentlich erleichterten».12 Ebenso kommen Gerald Schöpfer und (wenn auch diffus und verschlei- ernd) David Beattie auf das Konsortium zu sprechen.13 Schliesslich ist diese Problematik auch im ersten von der Liechtensteinisch-Tschechischen Historikerkommission herausgegebenen Band14 sowie im Historischen Lexikon des Fürstentums Liechtenstein15 enthalten. Auch wenn die hier beispielhaft genannten Arbeiten das Konsortium nur knapp erwähnen und nicht ver- tieft auf einzelne Aspekte eingehen, kann doch nicht behauptet werden, dass seitens der liechtensteinischen Geschichtsschreibung bis heute generell versucht werde, diese Thematik totzuschweigen.16 Leins’ Darstellung des Münzkonsortiums und der Vorwurf der Nicht-Berücksichtigung in der liechten- steinischen Geschichtsschreibung führen jedenfalls vor Augen, dass dem Land Liechtenstein aus der Nichtauf- arbeitung problematischer Aspekte seiner Geschichte – auch jener des Fürstenhauses – ein Reputationsrisiko erwächst. 7  Im Rahmen dieser Besprechung war keine vollständige Durch- sicht der Literatur auf die einschlägigen Fragen möglich. Einzelne Arbeiten werden beispielhaft genannt. Die Frage, welche der von Leins erwähnten Autoren (vgl. besonders Leins, S. 115, Anm. 403) effektiv zur «liechtensteinischen Landesgeschichtsschreibung» zu zählen sind, wird hier aussen vor gelassen. 8  Eine Untersuchung zur liechtensteinischen Historiographie fehlt (vgl. Arthur Brunhart: Artikel «Historiografie», in: HLFL, wie Anm. 5, Band 1, S. 361–363). Die Stellung des Fürstenhauses in der liechtensteinischen Geschichtskultur wurde unter anderem thematisiert in Sascha Buchbinder/Matthias Weisshaupt: Das Bild des Fürsten. Zur Problemstellung von Fürstenhaus und Staatskör- per in der Geschichte des Fürstentums Liechtenstein. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (JBL), Band 103 (2004), S. 191–225; Fabian Frommelt: Der Kauf der Graf- Kapitel_7_Rezensionen.indd   18411.06.13   15:49
	        

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