Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

183 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 112, 
2013gewinne 
und die damit erworbenen Rebellengüter in den Stand versetzt worden sei, Vaduz und Schellenberg kaufen zu können: Dies jedoch wäre hypothetisch und dürfte weder eindeutig zu belegen noch zu widerlegen sein. Diese Güter machten gewiss einen grossen Teil des fürstlichen Besitzes aus, aber auch der übrige, vor 1622 erworbene Besitz war beträchtlich (Eisgrub, Feldsberg, Wilfersdorf, Butschowitz, Posoritz, Plumenau, Troppau usw.).6 Der Aufstieg Karls von Liechtenstein hatte lange vor dem Münzkonsortium von 1622 mit der Ehelichung Anna Maria 
Černohorská von Boskowitz um 1592, der Konversion zum Katholizismus 1599 und der Über- nahme hoher Ämter unter Erzherzog Matthias und Kai- ser Rudolf II. begonnen. Die Rangerhöhung vom Her- renstand in den erblichen Fürstenstand erfolgte schon 1608/1620. 1612 erhielt das Haus Liechtenstein die Prä- zedenz im Herrenstand auf den Landtagen der Länder Nieder-österreich und Mähren. 1614 wurde Karl Herzog von Troppau. Wäre nicht von diesen Positionen aus der Einsitz im Reichsfürstenrat auch ohne die Rebellengüter ein realistisches Ziel gewesen? Leins selbst belegt die vor 1622 zurückreichende fi- nanzielle Potenz Karls mit dem Hinweis, dass Karl Kaiser Rudolf II. bis 1602 Kredite in der Höhe von 800’000 Gul- den gewährt hatte (S. 54); neben anderem stellte er Kaiser Ferdinand II. 1621 erneut 400’000 Gulden zur Verfügung 
heisst geltende Gesetze ausser Kraft setzen), sondern durch die Verweigerung seiner Sanktion verhindern, dass parlamentarisch verabschiedete Gesetzesbeschlüsse in Kraft treten, was nicht dasselbe ist. Solche Ungenauig- keiten in gar nicht zu Leins’ Thematik gehörenden Fragen sind im gegebenen Zusammenhang allerdings weniger bedeutend. Störender ist, dass es grundlegend an einer Unter- scheidung zwischen der Geschichte des 
Fürstenhauses und jener des 
Landes Liechtenstein mangelt. So beruhte weder die «Gründung» des Fürstentums Liechtenstein auf dem Münzkonsortium, noch sind «Aufstieg, Rang und Reichtum» des Landes Liechtenstein mit dem Kon- sortium in Verbindung zu bringen. Das Fürstentum Liechtenstein ist erst 1719 entstanden, also ziemlich ge- nau hundert Jahre später. In den 1620er Jahren stand das Gebiet unter Herrschaft der Grafen von Hohenems; die späteren Beziehungen zum Fürstenhaus Liechtenstein waren damals noch völlig unabsehbar. Auch war das Land Liechtenstein bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine ländliche, ärmliche Randregion; der relative Wohlstand setzte erst nach etwa 1950 ein und hat mit dem Münz- konsortium jedenfalls nichts zu tun. Anzunehmen ist jedoch, dass nicht Aufstieg, Rang und Reichtum des Fürstentums, sondern des Fürsten- hauses gemeint sind. Dessen «Emporkommen» wurde durch das Münzkonsortium und Karls Funktion als böhmischer Statthalter und oberster Konfiskator der Re- bellengüter gewiss wesentlich gefördert. Inwieweit diese Gründe dafür «von eminent wichtiger, wenn nicht gar entscheidender Bedeutung» waren (S. 115), müsste ein- gehender und differenzierter untersucht werden. Die Aussage, es sei die aus den konfiszierten Rebellengü- tern erworbene «Gütermasse», die «auf lange Sicht den enormen Aufstieg [des] Hauses vom erbländischen Fürs- tenstand in den Reichsfürstenstand mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag ab 1719 begründen sollte» (S. 114 f.), stimmt so jedenfalls nicht: Die Aufnahme in den Reichs- fürstenrat (1723, nicht 17195) 
hing nicht mit diesen erb- ländischen Gütern in Böhmen und Mähren zusammen, sondern mit dem erst 1699 respektive 1712 erfolgten Kauf der reichsunmittelbaren Herrschaften Schellenberg und Vaduz, welcher von Leins aber erst knapp dreissig Seiten später erwähnt wird (S. 141). Nun mögen Leins’ Aussagen mitunter so zu verstehen sein, dass das Fürstenhaus nur durch die Konsortiums-5 
 1713 hatte Fürst Anton Florian «ad personam» Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat erhalten, sechs Jahre vor der Erhebung zum Reichsfürstentum Liechtenstein 1719. Dauerhaft gesichert werden konnte die Aufnahme in den Reichsfürstenrat aber erst 1723 unter Fürst Josef Johann Adam, vgl. Arthur Stögmann: Artikel «Liechtenstein, von» (Abschnitt «17. und 18. Jahrhundert»). In: Hi- storisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein (HLFL). Vaduz, Zürich, 2013, Band 1, S. 523. 6  Die Auflistung des fürstlichen Güterbesitzes im Jahr 1914 in Paul Vogt: Brücken zur Vergangenheit. Vaduz, 1990, S. 54 nennt für die vor 1622 erworbenen Güter eine Gesamtfläche von 76’528 Hektaren, für die 1622/1623 erworbenen eine Fläche von 59’627 Hektaren (allerdings sind die vor 1914 wieder veräusserten Güter nicht berücksichtigt). Vgl. auch die Karte des fürstlichen Besitzes im HLFL (wie Anm. 5), Band 1, S. 524. Zur Entwicklung des fürst- lichen Güterbesitzes vgl. Evelin Oberhammer: Viel ansehnliche Stuck und Güeter. Die Entwicklung des fürstlichen Herrschaftsbe- sitzes. In: Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit, hrsg. von Evelin Oberham- mer. Wien, München, 1990, S. 33–45. – Leins selbst hält fest: «Mehr als ein Drittel der Güter, die das Fürstentum Liechtenstein Ende des 19. Jahrhunderts besaß, wurden anfangs der 1620er Jahre erworben» (S. 115), was nochmals unterstreicht, dass Leins Fürs- tenhaus und Fürstentum nicht auseinander halten kann oder will. Kapitel_7_Rezensionen.indd   18311.06.13   15:49
	        

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