Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

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Tag vor der Kaiserwahl Ferdinands. 1620 wurden die böhmischen Rebellen in der Schlacht am Weissen Berg bei Prag geschlagen. Umgehend strebte Ferdinand nun die Rekatholisie- rung der böhmischen Länder und deren Unterwerfung unter den habsburgischen Absolutismus an. Zudem musste er Kriegsschulden begleichen und seine Söldner ausbezahlen (demobilisieren), um sie von Plünderungen abzuhalten. Die militärische Bedrohung durch eine vom siebenbürgischen Fürsten Gábor Bethlen angestrebte europaweite antihabsburgische Koalition und durch die traditionell verzwickte geopolitische Lage zwischen Frankreich und dem Osmanischen Reich verlangten nach weiteren Rüstungen: All dies kostete viel Geld, das dem Kaiser jedoch fehlte. In dieser Situation setzte Ferdinand II. auf die er- wähnte Hofpartei: Zunächst beauftragte er Karl von Liechtenstein mit der Leitung des Gerichtsverfahrens gegen die Anführer der böhmischen Rebellion. 27 «Re- bellen» wurden wegen Landfriedensbruch und Maje- stätsbeleidigung zum Tod verurteilt und am 21. Juni 1621 unter dem Vorsitz Fürst Karls in Prag öffentlich hinge- richtet. Zwar habe Karl dem Kaiser in mehreren Briefen seinen «Widerwillen» gegen die «undankbare Aufgabe» deutlich gemacht, beim Gericht wie bei der Exekution den Vorsitz führen zu müssen (S. 36 f.), er war dann aber doch dazu bereit. Ein halbes Jahr nach dem «Prager Blutgericht» er- nannte Kaiser Ferdinand II. am 17. Januar 1622 Karl von Liechtenstein zu seinem zivilen Statthalter in Böhmen («Vizekönig») und Albrecht von Wallenstein zum mili- tärischen «Gubernator». Ausserdem erhielt Liechtenstein am Tag darauf den Vorsitz in einer «Confiscations-Com- mission», die für die Einziehung und Enteignung der Güter der böhmischen Rebellen zuständig war: Mit den konfiszierten Ländereien sollten dringend benötigtes Geld beschafft und während der Rebellion treu geblie- bene Adelige belohnt werden. Noch am selben Tag, dem 18. Januar 1622, wurde der Vertrag über das Münzkon- sortium geschlossen, von dem man sich ebenfalls hohen Ertrag versprach: Die Gleichzeitigkeit dieser Massnah- men verdeutlicht deren inneren Zusammenhang. Das Münzkonsortium resultierte somit gemäss Leins aus dem Zusammentreffen einer «tiefgreifenden Finanz-, Demobilisierungs- und außenpolitisch-strategischen Krise» Kaiser Ferdinands II. (S. 41) mit den privaten 
pachtung des Münzregals durch die Reichsmünzord- nung von 1559 ausdrücklich verboten war. Zum ande- ren schrieb der Vertrag fest, dass pro Mark Silber (etwas über 250 Gramm) 79 Gulden geprägt werden mussten – was nach Leins einer «mindestens dreifache[n] Reduk- tion des bisher üblichen Feingewichts» (S. 72) und damit einer massiven Senkung des Münzwerts entsprach; die Reichsmünzordnung hatte sogar ein Verhältnis von nur elf Gulden pro Mark Silber vorgesehen. Zum dritten war diese Münzverschlechterung, wie sich bald herausstellte, mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen verbunden. Dem Konsortium, das sich zum Zweck der Münzre- galpacht gebildet hatte, gehörten insgesamt sechzehn Mitglieder an. Darunter befanden sich neben dem Cal- vinisten de Witte und dem jüdischen Kaufmann Jakob Bassevi mehrere Mitglieder der kaiserlichen Hofkammer und so illustre Personen wie der Präsident des kaiser- lichen Geheimen Rats Graf Johann Ulrich von Eggen- berg, Obersthofmeister Graf Karl von Harrach, Hofkam- merpräsident Freiherr Gundaker von Polheim sowie Freiherr Albrecht von Wallenstein und Fürst Karl von Liechtenstein. Wie Leins aufzeigt, handelte es sich bei den hochge- stellten aristokratischen Mitgliedern aus dem Umfeld des Kaisers um eine durch «ein gewisses Profit- und Auf- stiegsstreben» (S. 59) geeinte «Hofpartei ... adliger Karri- eristen» (S. 44), die in etwa gleich alt und teilweise unter einander verwandt und verschwägert waren. Gleich sie- ben Mitglieder waren – wohl auch zur Beförderung ihrer Karriere in kaiserlichen Diensten – vom Protestantismus zum Katholizismus konvertiert, darunter Karl von Liech- tenstein. Einige von ihnen hatten schon vor dem Münz- konsortium zur Kriegsfinanzierung für das Haus Habs- burg zusammengearbeitet und waren, wie Wallenstein und Liechtenstein, erfahrene 
Kriegsunternehmer. Ursachen und Hintergründe 1617 war Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich König von Böhmen geworden, gegen den Widerstand der adeligen böhmischen Stände, die vergeblich das Recht zur Königswahl sowie Religionsfreiheit forderten. Die protestantischen Stände erhoben sich gegen den katholischen, stark gegenreformatorisch gesinnten Fer- dinand und wählten 1619 den Protestanten Friedrich V. von der Pfalz zum böhmischen Gegenkönig – nur einen Kapitel_7_Rezensionen.indd   17811.06.13   15:49
	        

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