Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

137 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 112, 201374 
 Siehe Anm. 35. Die im Time Magazine gesetzte Altersschwelle von 25 Jahren und darunter ist auch hier relevant. 75  Der Plural empfiehlt sich hier nicht nur aufgrund der Vielfalt an Schauplätzen und Aktivitäten, sondern auch im Hinblick auf deren sehr uneinheitliche Wahrnehmung durch Jugendliche in den 1960ern. Jemand, der die Pfadfinderunterhaltungen in Vaduz besuchte, wusste nicht unbedingt vom Jungmannschaftstheater in Schellenberg oder hatte daran kein Interesse. Je nach Alter, Ge- schlecht, örtlicher Herkunft, sozialem und schulischem Umfeld, usw. bildeten sich hier Cliquen und Subszenen, die eine eigene Untersuchung wert wären. 76  So der Wortlaut von Art. 27 des liechtensteinischen Jugendwohl- fahrtsgesetzes vom 23. Dezember 1958 (LGBl. 1959 Nr. 8). 77  LVolksblatt, 15. Februar 1955. Über den Mangel an jugendlicher Beteiligung am Brauch des Funkenbrennens. Zitiert in: Johler, Reinhard: Die Formierung eines Brauches. Der Funken- und Hole- pfannsonntag. (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Ethnologie der Universität Wien Bd. 19) Wien, 2000, S. 191–192. 78  Johannes Tschuor (1896–1990), Schweizer, 1933–1965 Pfarrer in Schaan, 1948–1967 Gründer und Leiter der Volkshochschule Schaan, 1952–1971 bischöflicher Landesvikar, 1936–1988 Redak- tor des Kirchenblatts «In Christo». 79  Dieckhoff, Albrecht Dietrich: Zur Rechtslage im derzeitigen Sit- tenstrafrecht. Hamburg, 1958, S. 22. 80 Schremser 2000, S. 209–216. 81 Archiv PPV. 82 LI LA PA 115/184. 83  «wir». Schülerzeitung. Ausgaben Nr. 1/1964 bis Nr. 46/1975 (Liechtensteinische Landesbibliothek). Nach Angaben im wir Nr. 24, 1969, hatte die Zeitung damals 170 Abonnenten, darunter die fürstliche Kabinettskanzlei. Es erstaunt, dass anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums des LG auf die Verwendung dieser eminenten schulgeschichtlichen Quelle verzichtet wurde! 84 LI LA Film- und Tondokumente 1964–1970. 85  Haas, Norbert: Fluchtpunkt Landesbibliothek oder Porträt eines jungen Mannes als Bibliothekar. In: Literaturhaus Liechtenstein (Hg.): Jahrbuch 4/2009, S. 41–43. 86  wir Nr. 2/1965, A Hard Day’s Night (1964) von Richard Lester. Rezension von Michael Hemmer. 87  LVolksblatt, 26. Oktober 1965, Beat: «I want to be your man» – Das Eschener Gastspiel der Swiss Beatles – ohne 
Saalschlacht. 
Ein erster Eindruck: Es fliesst neuer Wein aus alten Schläuchen. Vor den Kulissen der Scheunen, Vereinshäu- ser und Dorflokale, von bildungsbeflissenen Priestern, vom Landesbibliothekar,85 von Junglehrern oder Redak- teuren ermuntert und begleitet, eignen sich Jugendliche herkömmliche und importierte Genres an: journalistisch, künstlerisch und englischsprachig. Die von den briti- schen Inseln über die Welt schwappende Beat-Welle er- reichte auch Liechtenstein. Ein halbes Jahr nachdem er in der Schweiz angelaufen war, kam der erste Beatles-Film nach Vaduz.86 
Im Oktober 1965 gastierte die Schweizer Band «Les Sauterelles» im Eschner Kino Rex vor über zweihundert Jugendlichen.87 Einige Schüler und 
Lehr- 
A New Kind of Generation74 – «Ich möchte mein Ohr an die Tonboxe pressen!» Veränderungen in den lokalen «Jugendszenen»75 Liech- tensteins lassen sich in einer dritten und letzten Unter- suchungsperspektive nachvollziehen. In dieser Richtung hat der Verfasser aufgrund zeitgenössischer Texte auch bei den damals jugendlichen Akteuren nachgefragt und die Möglichkeit einer auf Anfrage noch reichen münd- lichen Überlieferung genutzt. Auch im Liechtenstein der 1950er und beginnenden 1960er Jahre verhandelten kirchliche und weltliche Autoritäten den Konsum von Unterhaltungsmusik, Mode und Massenmedien als moralisches Problem im Erziehungsverhältnis zu Jugendlichen, als Gefähr- dung der Sittlichkeit, als «Irreleitung des Trieblebens»,76 als Traditionsverlust und sogar als vernachlässigte Brauchtumspflege.77 Der Priester Johannes Tschuor78 mahnte in einer Ansprache an die liechtensteinische Pfadfinderjugend bei einer Wallfahrt auf Dux in Schaan am 24. Mai 
1958: «Viele Illustrierte sündigen nicht nur darob gegen euch, weil sie durch ihre Bebilderung eine Triebwelt wachrufen, die zu be- herrschen ihr oft nur mit allerletzter Kraft lernt, sondern auch dadurch, dass sie durch die Sensationsmeldungen eine Gesamt- schau des normalen Lebens verhindern.»79 Zu solchen Ratgeber-, Jugendwohlfahrts- und Ermah- nungsdiskursen an und über die Jugend treten in den 1960er Jahren zusehends öffentliche Diskurse von Ju- gendlichen. In diesen werden die Angebote eines er- weiterten Medienzugangs und der lustbetonten und konsumvermittelten Lebensstile («Popkultur») sowohl inhaltlich neu bewertet als auch in selbstbewussten künstlerischen und publizistischen Rollen genutzt und genossen. Die neuen Stimmen finden sich in verstreuten schriftlichen Quellen öffentlicher wie privater Herkunft: in Zeitungsberichten zum örtlichen Jungmannschafts- Laientheater der Gemeinde Schellenberg 1956 bis 1968,80 in Programmtexten der Pfadfinderunterhaltungsabende in Vaduz von 1957 bis 1969,81 in der Pfadfinderzeitung «Die Jugend»,82 in der Schülerzeitung «wir» des LG von 1964 bis 1971,83 in freien feuilletonistischen Tageszei- tungsbeiträgen und in Auszügen aus den literarisch-poli- tischen Bühnennummern des liechtensteinischen «Kaba- rett Kaktus» von 1964 bis 1970.84 Kapitel_5_Schremser.indd   13711.06.13   15:47
	        

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