118Marock Ludovic: Die fürstliche Antikensammlung von
Liechtenstein
Mehr als 270 Jahre lang beschäftigten sich die Fürsten von Liechtenstein mit der Kunst der Antike.1 Am An- fang des fürstlichen Interesses an antiker Kunst standen pekuniäre Überlegungen. Prinz Joseph Wenzel Lorenz von Liechtenstein (1696–1772) erwarb im Jahr 1736 die bereits damals prominente, antike Bronzeskulptur des Betenden Knaben2 aus dem Besitz des Prinzen Eugen von Savoyen als Investmentfond, um sie elf Jahre später, im Jahr 1747, mit grossem Gewinn an Friedrich den Grossen weiterzuverkaufen.3 Da antike Originale nördlich der Al- pen kaum oder nur gegen horrende Summen zu kaufen waren, begnügte sich Joseph Wenzel auf Rat seines Va- ters fortan damit, Bronzereduktionen nach antiken Ori-ginalen
bei namhaften Künstlern seiner Zeit in Auftrag zu geben.4 Nicht so Fürst Johann II., auch Johann der Gute ge- nannt (1840–1929). Als Kunstkenner und Kunstliebhaber ging er von 1858 bis zu seinem Tod seiner Sammellei- denschaft nach. Er vervollständigte die berühmten Fami- liensammlungen mit Kunstobjekten aus der ägyptischen, kleinasiatischen und griechisch-römischen Antike. Zwar erwähnt eine Inventarliste aus dem Jahr 1881 erstmals nach dem Antikenkauf aus dem 18. Jahrhundert durch Joseph Wenzel wieder den Besitz von Antiken.5
Doch schon vor diesem Zeitpunkt muss Johann II. antike Va- sen, Terrakotten, Inschriften und Marmorskulpturen Büste des Kaisers Mark Aurel, römisch, um 170 nach Christus.
Büste des jungen Mark Aurel, römisch, um 140 nach Christus. Kapitel_4_Marock.indd 11811.06.13 15:46