Volltext: Jahrbuch (2013) (112)

103 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 112, 
2013 
abgestraft, und über die Gränze, von wo er gekommen, abgeschafft werden.» Dem Unterkunft-Geber Michael Brendle forderte das Oberamt eine Geldstrafe ab.26 Josef Schafhitl starb im Jahr 1850 in Ruggell, seine Frau Maria Renata Schneider war bereits 1848 in Ludesch ge- storben.27 Ihre gemeinsame, im Jahr 1833 geborene Toch- ter Elisabeth Schafhitl hielt sich später regelmässig in Liechtenstein auf. Bei ihrer Vorsprache beim Regierungs- amt in Vaduz 1859 bat Elisabeth Schafhitl um Duldung ihrer Person und ihrer Familie in Liechtenstein. Landes- verweser Johann Michael Menzinger erteilte sodann für Elisabeth Schafhitl und ihre nunmehr zwei Töchter die Aufenthaltsgenehmigung in Liechtenstein, «unter dem Bedinge, dass sich die Elisabeth Schafhitl unklagbar auf- führe, und sich durch Arbeit mit ihren Kindern ordent- lich durchbringe. Gemäss eigenen Angaben verdiente Elisabeth Schafhitl sich ihren Lebensunterhalt «durch Spinnen, Stricken und dergleichen weibliche Arbeiten».28 Auf der Grundlage des erwähnten neuen Gemeinde- gesetzes von 1864 wurden bislang heimatlose Personen jener Gemeinde zugewiesen, in der sie sich «erwiesener- massen am längsten und im Zweifelsfalle zuletzt» aufge- halten hatten. Die Regierung in Vaduz wies am 14. Mai 1864 den ledigen und heimatlosen Schwestern Maria Josefa und Elisabeth Schafhitl das Heimat- und Bürger- recht in der Gemeinde Mauren zu. Auch zwei der mitt- lerweile drei unehelichen Töchter von Elisabeth Schafhitl wurden so Gemeindebürgerinnen von Mauren. Deren älteste Tochter Rosina hingegen wurde der Gemeinde Eschen – ihrem Taufort – als Bürgerin zugeteilt.29 Die nach 1860 in Schaanwald ansässig gewordene Familie von Elisabeth Schafhitl blieb von finanzieller Hilfe abhängig. Der Maurer Pfarrer Johann Josef Neyer bat am 4. Februar 1865 die Regierung um Unterstützung für diese Familie, Elisabeth Schafhitl würde mitsamt ih- ren drei ledigen Kindern «am gleichen Hungertuche na- gen».30 Die Regierung in Vaduz bewilligte am 9. Februar 1865 für diese Familie den Betrag von zehn Gulden, der dem Landesarmenfonds entnommen wurde. Gleichzeitig ersuchte die Regierung die Gemeinde Mauren, dieser Fa- milie «die nöthige Unterstützung zuzuwenden».31 Diese Unterstützung folgte offenbar nicht in genügendem Aus- mass; denn zwei Kinder der Elisabeth Schafhitl, Anna Maria und die 1861 geborene Kreszentia, wurden am 25. April 1867 beim Betteln in Feldkirch aufgegriffen. Bei ihrer Einvernahme beim Bezirksamt Feldkirch gaben die 
17 Ebenda, insbesondere Kapitel 7 (S. 149–216). 18 Meier, Wolfensberger 1998, S. 11 sowie S. 495–496. 19  LI LA RE 1864/502: Schreiben des Landgerichts Vaduz an die Regierung ebenda, 10. Mai 1864. 20  LI LA RC 96/62: Verhör des Josef Schafhitl vor dem Oberamt in Vaduz, 14. September 1846; bei Biedermann 2012, S. 204, findet sich versehentlich die Jahresangabe 1847; Zum Alter von Josef Schafhitl gibt es widersprüchliche Angaben; er selbst behauptete 1846 vor dem Oberamt, er sei 76-jährig, was wohl nicht stimmte. Gemäss dem Totenbuch der Pfarrei Bendern wurde Josef Schaf- hitl am 5. Februar 1778 geboren (vgl. Biedermann 2012, S. 207). 21  LI LA RC 96/62: Verhör des Josef Schafhitl vor dem Oberamt in Vaduz, 14. September 1846. 22 Ebenda. 23 Ebenda. 24 Ebenda. 25 Ebenda. 26 Ebenda. 27 Vgl. Biedermann 2012, Stammbäume auf S. 207–208. 28  LI LA RC 96/62: Aussage von Elisabeth Schafhitl vor dem Regie- rungsamt in Vaduz, 1. Februar 1859. 29  LI LA RE 1864/502: Schreiben der Regierung in Vaduz an das Landgericht ebenda, 14. Mai 1864. 30  LI LA RE 1865/113: Elisabeth Schafhitl, Armenunterstützung; Schreiben des Maurer Pfarrers vom 4. Februar 1865. 31  Ebenda, Schreiben der Regierung in Vaduz an die Gemeindevor- stehung Mauren. 32  LI LA J 2/Pol. 1867/113: Anna Maria und Kreszentia Schafhitl, Rückschiebung nach Liechtenstein, 25. April 
1867. 
Mädchen im Alter von 13 und 6 Jahren an, sie seien von ihrer Mutter in die Stadt zum Betteln geschickt worden. Die Kinder wurden daraufhin nach Liechtenstein zu- rückgeschoben.32 Der Fall der Familie Schafhitl zeigt anschaulich, dass die Zuweisung eines Heimatrechts in Liechtenstein und eines einfachen Bürgerrechts in Mauren im Jahr 1864 noch keinen Lebensunterhalt in der entsprechenden Ge- meinde garantierte. Die Familie Schafhitl war zu arm, um sich einen vollen Einkauf in das Gemeindebürgerrecht leisten zu können. Dieses Fallbeispiel ist vergleichbar mit dem Schick- sal zahlreicher vormals nicht-sesshafter Familien in der Schweiz. Dazu schreiben Thomas Dominik Meier und Rolf Wolfensberger: «Das einfache Bürgerrecht garan- tierte den Betroffenen immerhin theoretisch das Recht auf Unterstützung im Verarmungsfall, die Chancen für eine weitergehende ökonomische und damit auch so- ziale Integration erscheinen dagegen eher als gering. Die habituellen Überlebensstrategien waren an die Nicht-Sesshaftigkeit gekoppelt und vermochten für eine erzwungene sesshafte Existenz nicht zu greifen ... [Es] Kapitel_3_Biedermann.indd   10311.06.13   15:45
	        

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