Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

82Frommelt Fabian: Stabilisierung durch 
Verpachtung? 
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geriet das gräfliche Haus Hohenems in eine schwere Finanz- und Schuldenkrise.2 Die geringen Einnahmen aus den Herr- schaften Vaduz und Schellenberg reichten für den Un- terhalt der gräflichen Familie Hohenems-Vaduz, die Finanzierung der Verwaltung und den Schuldendienst nicht aus. Die Schulden der Grafen beliefen sich 1692 auf 192’000 Gulden3 
und stiegen weiter an. – Die ähnlich de- solate Situation der Grafen von Hohenems zu Hohenems (von denen sich die Vaduzer Linie nach 1646 abgespaltet hatte) bleibt im Folgenden ausgeblendet.4 Die Untertanen wurden in den Schuldenstrudel mit hineingerissen. Die Landschaften Vaduz und Schellen- berg, also die Körperschaften der Untertanen,5 hatten für die Kredite der Grafen in Graubünden und in Feldkirch Bürgschaften geleistet respektive selbst Darlehen für die Grafen aufgenommen. Weil sie weder Zins noch Kapital erhielten, versuchten einige Bündner Gläubiger, sich an den Untertanen schadlos zu halten. Sie eröffneten 1683 in Vaduz und beim Landgericht Rankweil gerichtliche Schuldbetreibungsverfahren.6 
Das Damoklesschwert der gerichtlichen Schuldexekution hing während Jahr- zehnten über der Bevölkerung. Die subdelegierten Kommissare Blömegen und Keller schilderten die Problematik in ihrem Bericht von 1706 folgendermassen: Die Untertanen könnten «wegen der nahrung undt täglichen gewerbs» die Städte Feldkirch und Chur nicht meiden. Dort aber würden sie von den Gläubigern angegriffen, «ross undt wagen» würden be- schlagnahmt. Die Bündner wollten zudem die in ihrem Territorium liegenden Güter der Vaduzer Untertanen samt darauf befindlichem «vich und haab» pfänden, schätzen und verkaufen. Blömegen und Keller äusserten ihre Sorge, «daß wann die executiones fürgenommen, darmit continuiert undt kein rettungsmittel herbeÿ ge- schafft werden solte, endtlich die underthanen mit der herrschafft und diße mit jhnen in völlige confusiones zerfallen, folglich eins mit dem anderen ins eüsserste verderben ... geraten därffte».7 Ausserdem hatten auch gräfliche Bedienstete und ge- werbetreibende Einwohner unbefriedigte (Lohn-)Forde- rungen an den Grafen. Die Subdelegierten schrieben, es sei «ein elend undt recht erbärmlich anzuesechen undt zuehören, wie diße creditores lamentieren, ... und seind etliche darunder, welche in der höchsten noth steckhen, in dem himmel schreÿen, sich auf die erde unß zue fues- 
«Wer auß stainen kein gelt schlagen, oder auß denen bergen goldt graben, undt darmit den schuldenlast ab- stossen kan, der wirdt Vaduz nit in (!) empor heben und aufhelffen können».1 
Mit diesen Worten beschrieben die subdelegierten Kommissare Hermann Jodoc Blömegen und Johann Matth. Keller 1706 die Situation in der Graf- schaft Vaduz. Aufgrund der Schuldenlast schätzten sie die Lage als beinahe ausweglos ein. Eine veritable Krise schien vorzuliegen. Der Bericht der Subdelegierten war gerichtet an Fürst- abt Rupert von Bodman und Graf Franz Maximilian von Königsegg-Aulendorf, die vom Kaiser mit der kommissa- rischen Verwaltung von Vaduz beauftragt waren: Die Grafschaft wurde nicht von ihren Besitzern, den Grafen von Hohenems, regiert, sondern von einer kaiserlichen Administrationskommission. Damit ist ein zweiter Kern- punkt der krisenhaften Verhältnisse vor 1712 angespro- chen. Diese beiden Krisenaspekte – Verschuldung und kaiserliche Administration – werden im folgenden ersten Teil etwas näher beleuchtet. Der zweite Teil skizziert knapp einige der damals in Betracht gezogenen Lösungsansätze. Hauptsächlich widmet sich dieser Bei- trag aber einer einzelnen Massnahme: der sogenannten Admodiation (dritter Teil). Zum Abschluss wird anhand der titelgebenden Frage «Stabilisierung durch Verpach- tung?» eine Einordnung 
versucht. 
EinleitungDie Hohenemser Finanz- und Herrschaftskrise Kapitel_4_Frommelt.indd   8222.10.12   12:34
	        

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