Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

26Frommelt Fabian: Der Kauf der Grafschaft Vaduz am 22. Februar 
1712 
eines tags zuvor bei einem Spaziergang erlittenen Schlag- anfalls. Seine letzten Lebensjahre waren von der Sorge um die Nachfolge überschattet gewesen, denn seine beiden Söhne waren noch vor ihm in jugendlichem Alter gestorben. Johann Adam hatte also sein Erbe regeln müssen – und sein 1711 erstelltes Testament sorgte für neue Ver- wicklungen. Denn er vermachte Vaduz und Schellen- berg nicht seinem Nachfolger als Regierer des Hauses, Fürst Anton Florian (1656–1721), zu dem er ein denkbar schlechtes Verhältnis hatte, sondern dessen erst 16-jäh- rigem Neffen Josef Wenzel (1696–1772). Erst 1718 kam der reichsunmittelbare Besitz an die regierende Linie des Hauses, indem Josef Wenzel, der im selben Jahr 1718 Anton Florians Tochter Maria Anna heiratete, die Herr- schaften Vaduz und Schellenberg gegen die böhmische Herrschaft Rumburg an seinen Schwiegervater Anton Florian abtauschte.65 Anton Florian hatte schon 1712 von Kaiser Karl VI.66, dessen Erzieher und Obersthofmeister er war, den er- sehnten Sitz mit Stimme im Reichstag erhalten, aber nur für seine Person. Auch der Kurfürstenrat und der Reichs- fürstenrat gaben ihre Zustimmung und im Februar 1713 erfolgte Anton Florians Einführung in den Reichstag.67 Nachdem er 1718 in den Besitz von Vaduz und Schellen- berg gekommen war, erreichte er schon ein Jahr später, 1719, dass Kaiser Karl VI. die beiden Herrschaften ver- einigte und zum Reichsfürstentum Liechtenstein erhob. Damit war das Land Liechtenstein entstanden – und die Fürsten von Liechtenstein erlangten nun dauerhaft den Reichsfürstenstand: Im Diplom Kaiser Karls über die Erhebung zum Reichsfürstentum vom 23. Januar 1719 heisst es, alle Glieder des Reichs sollten inskünftig den Besitzer des Fürstentums Liechtenstein  «für einen fürst- lichen Standt deß Reichs ehren, achten, zulassen und erkennen, Sie also bey aller und jeder ehr, würde, sitz, stimm, vortheil, freyheit, Recht und gerechtigkeit ... ver- bleiben lassen».68 
Im August 1723 beschlossen die Kur- fürsten und die Reichsfürsten, das «fürstlich liechtenstei- nische Sitz- und Stimmrecht im löblichen Reichsfürsten- rat» durch den damaligen Fürsten Joseph Johann Adam (1690–1732) und dessen Erben und Nachkommen «nun- mehro künftig beständig und wirklich fortzuführen».69 
Damit hatte Johann Adam, nach den 115’000 Gulden für Schellenberg, erneut 250’000 Gulden investiert, ohne sein Ziel zu erreichen. Und er zeigte sich vorerst nicht mehr bereit, weitere 290’000 Gulden für Vaduz aufzu- bringen – obwohl sich gerade nun eine Lösung abzeich- nete, mit der auch der Vormund Graf Königsegg-Aulen- dorf einverstanden war. In Mähren nämlich hatten die ebenfalls überschul- deten Grafen Walderode ihre Herrschaft Bistrau um 234’000 Gulden zum Verkauf ausgeschrieben. Die für Vaduz gebotenen 290’000 Gulden reichten aus, um diese Herrschaft zu erwerben und die auf Vaduz lastenden Schulden in Höhe von 53’000 Gulden abzubezahlen.60 Zudem warf die Herrschaft Bistrau rund dreimal höhere Erträge ab als Vaduz, womit dieses Geschäft für Ho- henems sehr günstig war. Kaiser Joseph gab 1708 seine Zustimmung und 1710 wurde der Kaufvertrag über die Herrschaft Bistrau geschlossen.61 Johann Adam aber sträubte sich nach wie vor und musste schliesslich vom Kaiser fast zum Kauf von Vaduz gezwungen werden.62 Schliesslich kam es am 22. Februar 1712 in Wien zur Unterzeichnung des Kaufvertrags über Vaduz.63 Obwohl in Wien geschlossen, unterzeichnete Johann Adam den Vertrag nicht selbst, sondern liess sich durch seinen Anwalt Carl Schelenberger vertreten. Artikel 1 des Kaufvertrags von 1712 widerspiegelt das Interesse der Familie Liechtenstein an der Grafschaft Vaduz: «Erstens verkaufft der hoch- und wohlgebohrne herr Jacob Hanibal Friderich graf von und zu Hohen- embß, ... dem durchleuchtig hochgebohrnen fürsten und herren Johann Adam Andreen deß Heyligen Römischen Reichß fürsten und regiereren deß haußes Lichtenstein ... die ... immediaté freye reichßgraf- und herrschafft Vadutz ... mit dem voto [Stimmrecht] auff reichß und crayßtägen ...».64 Trotz dieses scheinbar eindeutigen Passus konnte Johann Adam aber noch immer nicht im Reichstag Einsitz nehmen. Denn die Hohenemser hatten, ihrem gräflichen Stand entsprechend, nur an der Gemeinschaftsstimme (Kuriatstimme) der Schwäbischen Reichsgrafenbank teil- gehabt. Die Fürsten von Liechtenstein aber beanspruch- ten eine Einzelstimme (Virilstimme) auf der Reichs- fürstenbank. Dafür bedurfte es weiterer Anstrengungen, deren Erfolg Johann Adam jedoch nicht mehr erlebte. Denn nur vier Monate nach dem Kauf starb Fürst Johann Adam am 16. Juni 1712 mit 55 Jahren an den Folgen Kapitel_1_Frommelt.indd   2622.10.12   13:20
	        

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