Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

205 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 201249 
 Am ausführlichsten dazu: Rheinberger, Rudolf: Dr. med. Wilhelm Schlegel, Arzt und Politiker, 1828 bis 1900. In: Jahrbuch des Hi- storischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 91, 1992, S. 186–191. 50  In der sehr emotional geführten Landtagssitzung vom 11. Ok- tober 1919 wurde die Beschlussfassung über den Antrag einer französisch-schweizerischen Finanzgruppe auf Errichtung einer Hotel- und Kasinogesellschaft verschoben. Als Ausweg war von verschiedenen Seiten eine Volksabstimmung gefordert worden. Die Kasinofrage kam nicht mehr in den Landtag. Siehe dazu auch die Berichterstattung im Liechtensteiner Volksblatt vom 18. Okto- ber 1919, S. 2. 51  Ausführlicher dazu: Schädler, Albert: Die Thätigkeit des liechten- steinischen Landtages im 19. Jahrhundert. In: Jahrbuch des Histo- rischen Vereins für das Fürstenthum Liechtenstein, Bd. 4 (1904), S. 42 ff. 52  Das fürstliche Handbillet wurde am 11. Januar 1907 im Liechten- steiner Volksblatt auf der ersten Seite abgedruckt. 53  Eine unmittelbar an den Landesherrn gerichtete Eingabe, d.h. unter Übergehung der Regierung. 54  Landtagssitzung vom 16. Dezember 1907. 55  Liechtensteiner Volksblatt vom 4. Dezember 1908, S. 
2. Bildnachweis Alle Abbildungen: Liechtensteinisches Landesarchiv, 
Vaduz Anschrift des Autors lic. phil. Paul Vogt, Palduinstrasse 74, FL-9496 
Balzers 
die Trennung von Justiz und Verwaltung sah. Die vom Landtag gewünschten Änderungen gingen weit über die Vorschläge der Regierung hinaus und hätten auch Än- derungen in der Justizorganisation erforderlich gemacht – die Justizhoheit beziehungsweise die Kompetenz zur Organisation der Gerichte und Verwaltung lag aber ge- mäss Verfassung allein beim Fürsten. Die Auseinander- setzung zwischen Landtag und Landesverweser muss ziemlich heftig gewesen sein, was aber aufgrund der Landtagsprotokolle nicht belegt werden kann. Jedenfalls bot In der Maur nach der Landtagssitzung im Dezember 1906 dem Fürsten seinen Rücktritt als Landesverweser an – dieser erklärte aber dem Landesverweser öffentlich sein «vollstes Vertrauen» und tadelte den Landtag, dass er die Hand für die «dringende» und «zeitgemässe» Re- form nicht gegeben habe.52 Im kommenden Jahr wählte der Landtag eine Siebnerkommission, die die Grundzüge der Justizreform beraten sollte. Die Vorschläge dieser Kommission wurden vom Landtag mit zwölf Stimmen angenommen und in Form einer «Immediateingabe»53 an den Fürsten eingereicht – die drei vom Fürsten ernann- ten Abgeordneten stimmten dagegen.54 Die Justizreform wurde schliesslich in den Jahren 1912/13 aufgrund von Expertenvorschlägen und in wesentlichen Punkten im Sinne des Landtags durchgeführt. In der Landtagssitzung vom 16. Dezember 1907 be- schloss der Landtag auch eine Immediateingabe an den Landesfürsten zur Schaffung eines Pressegesetzes. Die Abgeordneten kritisierten die Regierung, dass sie fak- tisch eine Zensur ausübe, weshalb seit vielen Jahren keine politische Berichterstattung im Volksblatt möglich sei. Diese Eingabe war ein Angriff auf Landesverweser Karl von In der Maur, der sich dagegen wehrte, dass die Regierung eine «Präventivzensur» ausübe. Die Landtags- mehrheit – besonders engagiert äusserten sich Land- tagspräsident Albert Schädler, der an den liberaleren Geist zur Zeit seines Vaters Karl erinnerte, und Ing. Karl Schädler – beschloss die Immediateingabe mit elf gegen vier Stimmen – dagegen stimmten wiederum die drei fürstlichen Abgeordneten. Das Pressegesetz kam in der Folge nicht mehr zur Sprache, d.h. der Landtag setzte sich mit diesem Vorstoss nicht durch. Anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums be- zeichnete der Landesverweser den Landtagspräsidenten in humoriger Weise als seinen «liebsten Feind»55 – diese Formulierung war sicher humorvoll gemeint. Die bei-den 
hatten gemeinsame Interessen und engagierten sich beispielsweise für den Historischen Verein. Gleichwohl darf die Formulierung so verstanden werden, dass sie respektvoll miteinander umgingen, dass es im Verhält- nis zwischen dem Landesverweser als dem Repräsentan- ten des Landesfürsten und dem Landtagspräsident als höchstem Volksvertreter aber auch Spannungen gab. Kapitel_9_Vogt.indd   20522.10.12   13:31
	        

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