Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

193 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 201222 
 Sieh dazu ausführlich: Geiger, Geschichte des Fürstentums Liech- tenstein 1848 bis 1866, S. 225. 23  Forderung der Landstände beim Landtag 1860. Zitiert nach Gei- ger, Geschichte des Fürstentums Liechtenstein 1848 bis 1866, S. 245. 24  Der Fürst befand sich seit dem Tod seines Vaters im Jahre 1858 auf einer Bildungsreise im Ausland. Seine Mutter Franziska nahm daher zwei Jahre lang als Stellvertreterin des Fürsten die Regie- rungsfunktionen wahr. 25  Ausführlich zu dieser Verfassung: Kirchherr, Roland: Die Ver- fassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen vom Jahre 1833. Zu den Auswirkungen der Verfassungstheorien der Zeit des Deutschen Bundes auf das Fürstentum Hohenzollern-Sigma- ringen. Köln, 1979. 26  Schädler, Albert: Karl Freiherr Haus von Hausen (1823—1889). In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechten- stein, 1906, Bd. 6, S. 5–17. 27  http://de.wikipedia.org/wiki/Justin_von_Linde. 28  Zu den Positionen von Linde siehe Geiger, Geschichte des Für- stentums Liechtenstein 1848 bis 1866, S. 260 ff. 29  Die «Organisationsverordnung» vom 26. September 1862 ist, so- weit bekannt, nur noch in einem einzigen Exemplar vorhanden – und zwar nicht im Landesarchiv, sondern im Pfarrarchiv Triesen. Dies ist wohl auch die Erklärung, weshalb sie von der Forschung bislang übersehen 
wurde. 
Bevor im Folgenden auf einzelne Bestimmungen der Verfassung von 1862 eingegangen wird, die den Landtag betrafen, sei die Gelegenheit genutzt, um auf die fürst- liche «Organisationsverordnung» vom 26. September 1862 aufmerksam zu machen, die von der Forschung bislang übersehen wurde.29 Diese wurde im Begleit- schreiben des Fürsten zur Verfassung erwähnt und bot die Rechtsgrundlage für die Organisation der staatlichen Behörden. Um die Parallelität dieser Verordnung mit der Verfassung zu unterstreichen, wurde sie gleichzeitig mit der Verfassung erlassen. Ob ihr auch Verfassungs- rang zukam, kann hier offen bleiben. In dieser Verord- nung wurde klar zwischen jenen Materien, die in die Gesetzgebungskompetenz des Landtags fielen, und je- nen, die ausschliesslich in die Regierungs- und Organi- sationskompetenz des Fürsten fielen, unterschieden. Die Organisation der staatlichen Behörden – dies die klare Botschaft – war nicht Teil der Verfassung und wurde in einem separaten fürstlichen Erlass geregelt. In Bezug auf die Rechtsprechung bestimmte die Verfassung von 1862 lediglich, dass diese im Namen des Fürsten erfolgte (§ 33) und die Gerichte in der Rechtsprechung unabhängig von der Regierung (§ 34) waren. Die Gerichtsorganisation be- ziehungsweise die verschiedenen Gerichte wurden aber in der Verfassung nicht genannt. Die Organisationsver- 
Entwürfe, von Linde kontrollierte sie in seiner Funktion als Berater des Fürsten. Freiherr Karl Haus von Hausen (1823–1889) war Jurist und hatte vor seiner Ernennung zum Landesverweser in Vaduz als Bezirksvorsteher in Feldsberg gearbeitet. Er gilt als fürstentreuer, loyaler Be- amter und gleichzeitig guter Vermittler im Tauziehen um die Verfassung.26 Justin Timotheus Balthasar von Linde (1797–1870)27 gilt als erzkonservativer und sehr katholischer Jurist; auf juristischem Gebiet war er eine anerkannte Kapazität. Obwohl er im Wahlkreis Borken (Nordrhein-Westfah- len) als Abgeordneter in die Frankfurter Nationalver- sammlung gewählt worden war, blieb er ein Verteidiger der alten Bundesverfassung und einer starken Stellung Österreichs. 1850 wurde er in den österreichischen Staatsdienst aufgenommen und zum liechtensteinischen Gesandten beim Bundestag bestellt. Diese Funktion übte er bis 1866 aus. Eine besondere Anerkennung wurde ihm 1859 durch die Verleihung des liechtenstei- nischen Freiherrenstandes zuteil. Im Hinblick auf die neue Verfassung vertrat er klar reaktionäre Positionen: Er hätte dem Landtag nur eine beratende Funktion und kein eigenes Initiativrecht zugestanden. Jeden Einfluss auf die Organisation der staatlichen Behörden wollte er verhindern, ebenso die Möglichkeit, dass Staatsdiener vom Landtag gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden konnten. Schliesslich lehnte er auch Mehrheits- beschlüsse in der Regierung ab, wenn diese aus dem Landesverweser und zwei einheimischen Regierungsrä- ten bestand.28 Im Vergleich zu diesen beiden Juristen hatten die Vertreter des Ständelandtags eher geringen Einfluss auf die neue Verfassung. Mehrere Volksvertreter hatten zwar in den Landesausschüssen von 1848 mitgewirkt, doch der einzige wirklich profilierte politische Akteur war Dr. Karl Schädler (1804–1872). Er hatte als liechten- steinischer Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirche mitgewirkt und wurde von den Beamten in Vaduz re- spektiert. Gleichwohl dürfen seine Möglichkeiten nicht überschätzt werden. Das Bürgertum war schwach aus- gebildet. Schädlers politische Grundhaltung kann mit liberal-konservativ umschrieben werden. Die einzigen Intellektuellen im Lande waren ein paar Ärzte und mit Abstrichen einige Lehrer. Von den mehrheitlich auslän- dischen Beamten und den Geistlichen konnte man keine fürstenkritischen Aktivitäten erwarten. Kapitel_9_Vogt.indd   19322.10.12   13:31
	        

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