Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

153 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 201292 
Liechtensteiner Volksblatt vom 27. Mai 1939, S. 7. 93  Das Militärkontingent ist ein Beispiel, wie Konflikte der Vergan- genheit negiert wurden: Der Fürst wollte 1866 das Militärkontin- gent beibehalten, doch der Landtag verweigerte nach 1866 die er- forderlichen Finanzen, weil das Kontingent eine enorme Belastung war. Der Fürst musste schliesslich 1868 das Kontingent auflösen. In der Folge wurde die Erinnerung an das Kontingent in romanti- scher Weise verklärt, dem Fürsten für die Abschaffung gedankt. 94  Adulf Peter Goop, Günther Meier, Daniel Quaderer: Brauch- tum Liechtenstein. Alte Bräuche und neue Sitten. Schaan 2005, S. 204. 95  Sascha Buchbinder und Matthias Weishaupt, wie Anm. 2, S. 203. 96  Elias Wille (1880–1972) aus Balzers wanderte 1906 nach San Fran- cisco aus. Vgl. Norbert Jansen: Nach Amerika! Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert. Vaduz 1998, Bd. 1, S. 251. 97  Drei davon sind im Band veröffentlicht in: Lyrik aus Liechten- stein. Von Heinrich von Frauenberg bis heute. Hrsg. von Jens Dittmar. Schaan 2005. 98 Liechtensteiner Volksblatt vom 5. Mai 1902, S. 1. 99 Liechtensteiner Volksblatt vom 12. September 1902, S. 1. 100 Liechtensteiner Volksblatt vom 19. Juni 1930, S. 2. 101 Sascha Buchbinder und Matthias Weishaupt, wie Anm. 2, S. 
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Wien, danach «oben im Schloss» und unterschied sich in seinem Auftreten deutlich von gewöhnlichen Landes- bürgern. Zum Ausdruck kam diese Distanz zum Beispiel in der Sprache: Die Durchlauchten wurden in der dritten Person Plural angesprochen, diese wiederum redeten ihr Bediensteten in der dritten Person Singular an. Als fünfter Wert kann die Bewahrung der Eigen- ständigkeit und Eigenstaatlichkeit identifiziert werden. Festredner wiesen gerne darauf hin, dass sich Liech- tenstein im Vergleich zu grösseren Staaten «glücklicher Verhältnisse» erfreue. Wenn Liechtenstein im Ausland als rückständig gelte, so seien die Liechtensteiner damit zufrieden und wollten nichts ändern. Liechtenstein sah sich als kleines, biederes Land, das seit Jahrhunderten seine Selbständigkeit bewahren konnte. Dieser Gedanke wurde vor allem in den 1930er Jahren beschworen, als die Eigenständigkeit des Landes von innen und aussen bedroht war. Die Aufgabe der Selbständigkeit hätte nicht nur das Ende der Monarchie bedeutet, sie hätte das Land auch wichtiger Vorteile beraubt – vor allem wären die Liechtensteiner in einen Krieg hineingezogen worden, mit dem sie nichts zu tun haben wollten. Der Aufruf zur Heimat zu stehen, war auch immer ein Aufruf zur Erhal- tung der Selbständigkeit. Staatliche Feierlichkeiten dienten der Kommunikation dieser Werte. Welche Mittel und Formen wurden dazu genutzt? Im Zentrum stand das Fest: Der gemeinsame 
vorkommen in dem Gedicht und in Liechtenstein, das ist großartig. Sogar Wild, das sich von Klipp zu Klipp ‹bewegt›, dann natürlich auch Aether, stolze Adler, Wasserfall und Schüsse-Wiederhall; drunter etwas fried- licher Dorf, Wein und Gesang. (Weib ist ganz vergessen.) Und dies alles von Gottes weiser Hand, ganz wie in der Volkshymne. [...] Die rhytmische Gestaltung dieses Po- ems besteht aus einer großen Auswahl diverser Takte und Reime, hätte aber der Dichter ‹Das Buch von der deutschen Poeterey› gekauft, so wär›s noch viel schöner geworden.»99 
Die Pointe an der Geschichte ist, dass Elias Wille 1906 nach Amerika auswanderte, aber weiterhin Gedichte schrieb, in denen er die Heimat pries. Der vierte Wert, der in den Reden immer wieder be- schworen wird, ist der familiäre Charakter des Landes. Liechtenstein wurde gerne als Familie gesehen: der Fürst als edler Landesvater und weiser Lenker, das Volk als seine Kinder. Bei staatlichen Feierlichkeiten nahmen Kinder an den Umzügen teil; oft wurde einem Kind die Aufgabe übertragen, dem Fürsten ein vaterländisches Gedicht vorzutragen. Das Bild des liebenden Vaters, an den sich die Landeskinder wenden können, wurde damit sichtbar gemacht. Wie als Staatsoberhaupt besass der Fürst auch als Vater von Gott verliehene Autorität, wie ja Erziehung überhaupt auf solcher Autorität be- ruhte. 1930 schrieb das Liechtensteiner Volksblatt: «Vom göttlichen Heiland wissen wir das einzig schöne und große Wort: ‹Er war seinen Eltern Untertan›. Er, der Herr über Welt und Menschen, hat sich unter die Herrschaft seiner irdischen Eltern gestellt und damit für alle Zeiten die Unverletzlichkeit der Elternrechte anerkannt. Von jeher hat man es als selbstverständlich angesehen, dass die Eltern ein Recht über ihre Kinder haben und aus- üben können.»100 
Zum familiären Charakter des Landes gehörten auch die Vereine, die bei der Gestaltung von staatlichen Feierlichkeiten mitwirkten, was nicht zuletzt für die Mobilisierung der Bevölkerung wichtig war. Ob- wohl der familiäre Charakter der liechtensteinischen Ge- sellschaft stets betont wurde, ging die Distanz zwischen Monarch und Volk auch nach der Wohnsitznahme des Fürsten im Land nie verloren. Buchbinder/Weishaupt betonen, «dass der Fürst nicht einen kleinbürgerlichen Familienvater, sondern stets den Landesvater verkör- perte. Die väterliche Rolle war immer geprägt durch die Gleichzeitigkeit von fürsorglicher Nähe und staatlicher Distanziertheit.»101 Der Fürst wohnte bis 1939 im fernen Kapitel_6_Vogt.indd   15322.10.12   12:40
	        

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