Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

137 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 
2012tung 
eines Medizinalrats, was sicher als Hinweis auf die angeschlagene Gesundheit des 85-jährigen Monarchen gewertet werden kann. Für das 70-jährige Regierungsjubiläum war noch ein- mal eine grosse Feier mit allen Vereinen geplant; Fürst Johann II. versprach daran teilzunehmen, falls seine Ge- sundheit dies erlauben würde. Doch im Juni 1928 schlug der Sparkassa-Skandal wie eine Bombe ein. Die Regie- rung Gustav Schädler wurde entlassen. Das 70. Regie- rungsjubiläum wurde am 11. November doch noch mit einem vergleichsweise bescheidenen Programm gefei- ert. Der Churer Bischof Georgius Schmid von Grüneck zelebrierte das Pontifikalamt. In seiner Ansprache be- zeichnete er «die Dankespflicht der Landeskinder ihrem gütigen Landesvater gegenüber als Christenpflicht, die nur im Garten des wahren Christentums gedeihe». Auf die Messe folgte eine Festsitzung des Landtags, an der Thronfolger Prinz Franz Josef als Vertreter des Fürs- ten teilnahm. Am Nachmittag fand schliesslich noch ein Volksfest in der Vaduzer Turnhalle statt. Fürst Johann II. genoss eine unglaubliche Popularität, die mit zunehmendem Alter noch stetig wuchs. Die bei- den Landeszeitungen und die Festredner überboten sich mit Vergleichen und Superlativen. Als die Volkspartei die mehrheitliche Regierungsverantwortung übernom- men hatte, unterschied sich die Berichterstattung in den Liechtensteiner Nachrichten nicht mehr von derjenigen im Volksblatt. In den letzten Lebensjahren des Fürsten veröffentlichten beide Zeitungen auf den Frontseiten wiederholt überschwängliche Willkommens-, Dankes- und Glückwunschadressen. Herausgegriffen seien zwei Beispiele zum Namenstag des Fürsten am 24. Juni 1925. Das Volksblatt verglich den Fürsten mit dem Heiligen Johannes dem Täufer: «Eine hohe, edle Gestalt, ragend 
diesem Anlass gab es aber nicht. Bescheiden ausgefallen ist die 200-Jahrfeier der Erhebung zum Reichsfürstentum Liechtenstein: Am Sonntag, den 26. Januar 1919 wurden in allen Gemeinden kirchliche Feiern abgehalten, auf eine weltliche Feier wurde «wegen der gedrückten Zeit» verzichtet. Nicht verzichtet wurde auf die Herausgabe von drei neuen Briefmarken mit den Schlössern Vaduz und Gutenberg sowie der Kirche Bendern. Sie genügten als «schöne und rentable Erinnerung».51 Beim Besuch im Juni 1919 beobachtete der Fürst den begeisterten Willkommensempfang am ersten Tag von einem Fenster im Rondell des Schlosses aus, also aus Distanz. Doch in den nächsten Tagen kam es zu persön- lichen Begegnungen und Gesprächen mit Leuten aus dem Volk, was zweifellos die Popularität des Fürsten för- derte. Besonders angetan hatten es ihm die Veteranen. Eine kleine Episode beim Besuch in Balzers erscheint symptomatisch. Das Volksblatt beschrieb sie wie folgt: «Leutselig ist unser Fürst und für alles hat der greise Mo- narch noch Aug und Ohr. Unter dem Volke stand auch zitternd ein alter Mann in seinem schlichten Veteranen- kleide. Auch er (Alois Frick) wollte seinen Landesherrn noch einmal sehen; in Vaduz war es ihm nicht möglich, da er nicht bis zum Schlosse gehen konnte. Der Fürst sieht ihn, geht auf ihn zu, reicht ihm die Hand und be- fragt ihn über seine Soldatendienste, sein Alter und seine Gesundheit. Ein Freudentag für den am Lebensabende stehenden Krieger!»52 
Das Volksblatt zog nach der Ab- reise des Fürsten folgendes Fazit: «Wir Liechtensteiner dürfen überzeugt sein, dass unser Landesvater die Se- genspfade des Wohltuns wie früher so auch fernerhin nicht nur vorwärtsschreitet, sondern dass er dieselben noch mehr ausbaut. Ein Landesvater nach dem Herzen Gottes! Seien wir darauf bedacht, auch Landeskinder nach dem Herzen Gottes zu sein!»53 Über den Besuch im Oktober 1919 wurde in den Landeszeitungen wenig berichtet. Der Fürst wurde mit grossen Lettern freudig willkommen geheissen, anson- sten ist aber den Zeitungen kaum zu entnehmen, was er während seines fast dreiwöchigen Aufenthalts machte. Begegnungen zwischen Volk und Fürst fanden keine statt. Das Gleiche gilt auch für den letzten Besuch des Fürsten im Sommer 1925. Auf ausdrücklichen Wunsch des Fürsten fand an der Grenze keine offizielle Begrüs- sung statt,54 auch im weiteren Verlauf wurde von Kon- takten mit dem Volk abgesehen. Der Fürst kam in Beglei-47 
 Josef Seli: Geschichtliche Ereignisse und Begebenheiten der Ge- meinde Triesen» von 1800 bis 1912. Die Chronik des Josef Seli hrsg. von der Gemeinde Triesen; Bearbeitung Olga Anrig und Paul Vogt. Triesen 2006, S. 144. 48  So etwa in einem Bericht der Oberrheinischen Nachrichten vom 4. Juni 1919. 49 Oberrheinische Nachrichten vom 11. Juni 1919, S. 1. 50 Oberrheinische Nachrichten vom 4. September 1920, S. 1. 51 Oberrheinische Nachrichten vom 25. Januar 1919, S. 2. 52 Liechtensteiner Volksblatt vom 18. Juni 1919, S. 1. 53 Liechtensteiner Volksblatt vom 25. Juni 1919, S. 1. 54 Liechtensteiner Nachrichten vom 24. Juni 1925, S. 2. Kapitel_6_Vogt.indd   13722.10.12   12:40
	        

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