Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

136Vogt Paul: «Das Band weben, welches Fürst und Volk enger 
verbindet» 
selbstverständlich war oder gar als von Gott gewollte Ordnung erschien, bedurfte nun einer Rechtfertigung. Die Vorrechte der Monarchie wurden kritisch hinter- fragt, eine neue Verfassung bildete eine zentrale Forde- rung. Zwischen Fürstenhaus und Volk wurde vermehrt und direkter kommuniziert, das Band wurde dadurch inniger und fester. Das Fürstenhaus zeigte ab 1919 deut- lich mehr Präsenz. Beide politischen Parteien standen uneingeschränkt zur Monarchie, in der Frage der Rolle der Monarchie zeigten sich aber deutliche Unterschiede. Von der Bürgerpartei wurde mehr oder weniger alles kritiklos hingenommen und gerechtfertigt, die Volkspar- tei beziehungsweise die Oberrheinischen Nachrichten erlaubten sich gelegentlich sanfte Kritik. Kritisiert wurde vor allem die «Auslandresidenz» des Landesfürsten, die zwar geschichtlich verständlich sei, dem Verhältnis von Fürst und Volk aber geschadet habe. Die fremden Be- amten, die der Fürst ins Land geschickt habe, seien im- mer zwischen dem Fürst und dem Volk gestanden.48 Im Vorfeld des Besuchs von 1919 forderten die Oberrhei- nischen Nachrichten, dass der Fürst alle Gemeinden be- suchen müsse und dass die ausländischen Beamten und Geistlichen bei diesen Besuchen zurückstehen müssten: «Als Liechtensteiner erwarten wir selbstverständlich, dass der Landesfürst bei seinen Besuchen in den einzel- nen Gemeinden durch Landesbürger begrüsst werde. Die Herren Ausländer, Geistliche wie Laien, werden diesen berechtigten Wunsch wohl verstehen. Die Liech- tensteiner und nicht Ausländer wollen einmal seit mehr als zwanzig Jahren mit ihrem Landesfürsten reden und wir bitten letztere, zurückzustehen.»49 
Direkte Kritik am Fürsten blieb die Ausnahme und wenn, dann wurde sie zurückhaltend formuliert. 1920 kritisierten die Oberrhei- nischen Nachrichten den Fürsten wegen seiner passiven Rolle im Verfassungsstreit zwischen den Parteien: «Eine vermittelnde Rolle vermissen wir bisher leider vom Lan- desfürsten und insbesondere seinen einheimischen und fremden Ratgebern. Mehr denn je wäre es notwendig, in die verworrene Lage mit einem fürstlichen Worte einzu- greifen.»50 Eine so direkte Kritik blieb eine Ausnahme. Zu erwähnen sind auch zwei Jubiläen, die nicht gefei- ert wurden: 1906 wurde in den Zeitungen nicht einmal er- wähnt, dass Liechtenstein seit 100 Jahren ein souveräner Staat war. 1912 wurde zwar im Rahmen der 200-Jahrfei- erlichkeiten erwähnt, dass Liechtenstein seit 50 Jahren eine konstitutionelle Verfassung hatte, eine Feier aus 
bracht [und] einen herzlichen Dank dar gebracht ... In der Stadt Mödling wurde in ein Gasthof eingekehrt zum Mittag-Essen. Der Tisch war mit guten Speisen und Wein belegt. Nach dem Essen eine fröhliche Unterhaltung, dan gings zum Bahnhof zur Abfahrt nach Wien zurück, wo die Lichtensteiner abends spät in Wien in ihrem Qwatir gesund, wohlbehalten und in der fröhlichsten Begeiste- rung [ankamen], ihren algeliebten Landesvater gesechen und sprechen gehört zu haben. Man hörte sogar von einzelnen sagen, dass sei einer der schönsten Tage ihres Lebens gewesen.»47 Der Zusammenbruch der Monarchie und der Unter- gang der Welt des Adels in Österreich änderten auch in Liechtenstein vieles. Manches von dem, was vorher Das Erinnerungsfoto mit Johann II. wurde am 12. Juni 1928 von Seiner Durchlaucht aus Anlass des 70-jährigen Regierungsjubiläums Franz Ammann, fürstlicher Regierungsrat-Stellvertreter aus Vaduz, verliehen. Kapitel_6_Vogt.indd   13622.10.12   12:40
	        

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