Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

113 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 
2012 
ten «Hausväterliteratur» aus.19 Grösste Bedeutung er- langte der Fürst aber dadurch, dass er allen finanziellen Schwierigkeiten zum Trotz den ererbten reichen Besitz ungeschmälert bewahren konnte. Er sah sich dadurch in die Lage versetzt, der angeborenen Sammelleidenschaft und Liebe zum Schönen freien Lauf zu lassen. Karl Eu- sebius war Auftraggeber, Initiator und Liebhaber der schönen Künste, der Architektur und der Pferdezucht, er griff aber auch selbst gerne zur Feder. So verschieden die von ihm behandelten Themen auch sein mochten, so zeichnen sie sich doch alle in gleicher Weise durch Lehr- haftigkeit und durch das Bemühen um Kontinuität aus. Was die Zeitgenossen in Erstaunen versetzte, regis- trierten die Familienangehörigen mit wachsender Sorge und Unmut. Vor allem, dass Karl Eusebius in der kri- tischen Phase des existenzbedrohenden «Liechtenstein- Prozesses» die Familieninteressen in Wien nicht persön- lich, sondern grossteils durch seinen Anwalt vertreten hatte, stiess bei seinem Onkel, Fürst Gundaker, auf Un- verständnis und war Anlass zu heftiger Kritik. Tatsache ist, dass trotz der zunehmend feindlichen Stimmung, der sich das Haus Liechtenstein in den 1650er und 1660er- Jahren bei Hof ausgesetzt sah, das «Generalabsoluto- rium» vom 15. Mai 1665 den Besitzstand der Familie rechtlich absicherte. Die Kosten, die aufgebracht wer- den mussten, um die von Fürst Karl I. durch kaiserliche Schenkung oder durch allzu billigen Kauf in Besitz ge- nommenen Herrschaften gleichsam ein zweites Mal zu erwerben, waren allerdings enorm und liessen die schon vorhandene Schuldenlast bedrohlich ansteigen. Kriegs- wirren und Seuchen, allen voran die Pest, taten das Ih- rige. Die liechtensteinischen Besitzungen waren entvöl- kert und die wirtschaftliche Lage nachhaltig geschädigt. Doch all das hinderte Karl Eusebius nicht daran, sich mit unverminderter Intensität um jene Dinge zu küm- mern, die bleibenden Wert versprachen. Ob Architek- tur, Gemälde, Skulpturen oder Goldschmiedearbeiten, ob Gartenkunst oder Pferdezucht, Karl Eusebius strebte danach, zur ersten Adresse fürstlicher Lebensart und fürstlichen Lebensstils zu werden. Dies galt in besonde- rer Weise für das in ganz Europa berühmte liechtenstei- nische Gestüt.20 
Es wurde so wie die reiche Bautätigkeit zur Familientradition, die als gleichsam unverwechsel- bares «Markenzeichen» durch Jahrhunderte Bestand hatte. Karl Eusebius eröffnete der Familie eine neue Perspektive. Die Botschaft seines Lebens fand bei der 
Nachwelt Verständnis und begründete eine durch Jahr- hunderte ungebrochene Tradition.21 Es blieb allerdings seinem Sohn und Nachfolger, Fürst Johann Adam I. An- dreas (1657–1712), vorbehalten in einer Zeit des wirt- schaftlichen Aufschwungs die solide finanzielle Grund- lage für solche Aktivitäten zu schaffen. Bevor ich aber zu Fürst Johann Adam I. Andreas über- leite, möchte ich die Leserin und den Leser noch mit einem Vorfall aus dem Jahre 1677 vertraut machen.22 Er zeigt besser als viele Worte, wozu Fürst Karl Eusebius bereit war, wenn es darum ging der Kunst und dem adeligen Lebensstil trotz grösster Geldnot den Vorrang einzuräumen. Um fällige Schuldverschreibungen für an- gekaufte Gemälde und um den grosszügigen Ausbau der Wasserkunst im Eisgruber Schlosspark finanzieren zu können, verpfändete Fürst Karl Eusebius ohne Wissen der Familie Ende 1677 den liechtensteinischen Fürsten- hut. Der Fürst war sich der Brisanz der Vorgangsweise wohl bewusst. Er schärfte seinem Wiener Hausmeister ein, «dises werk ..., bei vermeidung grosser bestrafung, in hechster geheimb so wol vor meinen leidten allen als gegen den füerst Harttman und andern»23 zu halten. So kam es dazu, dass sich das grösste und vornehmste Kleinod des fürstlichen Hauses im Dezember 1677 vo- rübergehend im Besitz der verwitweten Gräfin Maria Margaretha Trautson von Falkenstein (1621–1705) be- fand, und zwar als Pfand für ein von Fürst Karl Eusebius dringend benötigtes Darlehen von 30‘000 Gulden. Für die Auslösung des Fürstenhuts war wieder einmal die 18  Zum »Liechtenstein-Prozess» siehe Herbert Haupt, Fürst Karl Eu- sebius (wie Anm. 3), S. 141–145. 19  Im Besonderen trifft dies auf die «Instruction vor unseren ge- liebten sohn ...» zu. Das von Fürst Karl Eusebius eigenhändig ge- schriebene Manuskript wird im Liechtensteinischen Hausarchiv unter der Signatur VA 5/2/2 aufbewahrt. 20  Herbert Haupt: Stallungen edler Pferde. Das fürstlich Liechten- steinische Gestüt im 17. und frühen 18. Jahrhundert. In: Liechten- stein. Parnass 15, Sonderheft 11. Wien, 1995, S. 96–100. 21  Herbert Haupt: Rara sunt cara. Kulturelle Schwerpunkte fürst- lichen Lebensstils. In: Evelin Oberhammer (Hrsg.): Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit. Wien, München, 1990, S. 115–137. 22  Zur kurzzeitigen Verpfändung des liechtensteinischen Fürsten- huts siehe Herbert Haupt: Fürst Karl Eusebius (wie Anm. 3), S. 206. 23  Zitiert nach Herbert Haupt: Von der Leidenschaft zum Schönen (vgl. Anm. 3), S. 240, Regest Nr. 1660. Kapitel_5_Haupt.indd   11322.10.12   12:37
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.