Volltext: Jahrbuch (2012) (111)

109 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 111, 20128 
 Erzherzog Matthias hatte in seiner Eigenschaft als König von Ungarn damit eine vermutlich schon von Kaiser Rudolf II. ge- plante Entscheidung getroffen. Da die Erhebung in den Reichs- fürstenstand aber nicht durch den Kaiser selbst erfolgt und daher rechtlich unsicher war, wurde sie von Kaiser Ferdinand II. 1621 für Fürst Karl und 1623 für seine Brüder Maximilian und Gund- aker erneuert. Darauf weisen jedenfalls Eintragungen im Reichs- register hin; vgl. Heinz Dopsch: Das Fürstentum Liechtenstein im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (1719–1806). In: Rainer Vollkommer und Donat Büchel (Hrsg.): 1712. Das Wer- den eines Landes. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Liechtensteinischen Landesmuseum. Vaduz, 2012, S. 151–165, besonders S. 153. 9  Arthur Stögmann: Karl von Liechtenstein, Albrecht von Wald- stein und die Umwälzungen in Böhmen nach der Schlacht am Weissen Berg (1620–1627). In: Eliška Fučiková, Ladislav Čepička (Hrsg.): Waldstein. Albrecht von Waldstein. Inter arma silent mu- sae? Ausstellungskatalog. Praha, 2007, S. 295–303. 10  Der diesbezügliche Briefwechsel zwischen Kaiser Ferdinand II. und Fürst Karl I. ist publiziert von Christian Ritter d’ Elvert: Die Bestrafung der böhmischen Rebellion, insbesondere die Corre- spondenz Ferdinand II. mit dem Fürsten Liechtenstein. In: Schrif- ten der kais. kön. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde 17. Brünn, 1868. 11  Die führenden Persönlichkeiten des 1622/1623 tätigen Münzkon- sortiums waren neben Karl I. von Liechtenstein Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein (1583–1634), sowie der kaiserliche Hof- faktor Jakob Bassevi von Treuenberg (1580–1634) sowie der Cal- vinist und Hofbankier Hans de Witte (1583–1630). Sie waren nach dem Willen Kaiser Ferdinands II. im genannten Zeitraum im Be- sitz aller Münzstätten in Böhmen, Mähren und Niederösterreich. Die Gruppe nutzte den enormen Geldbedarf der kaiserlichen Kammer zur planmässigen Münzverschlechterung; vgl. Anton Ernstberger: Hans de Witte. Finanzmann Wallensteins. Wiesba- den, 1954, und Johann Newald: Die Lange Münze in Österreich. Ein Beitrag zur österreichischen Finanz- und Münzgeschichte. In: Numismatische Zeitschrift 13. Wien, 1881, S. 88–132; zuletzt ausführlich Steffen Leins: Das Prager Münzkonsortium 1622/23. Ein Kapitalgeschäft im Dreissigjährigen Krieg am Rand der Kata- strophe. Münster, 
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Jahre 1622/1623, der so genannten «Münz-Calada», be- teiligt.11 Der Fürst nützte den daraus gezogenen Gewinn nicht zuletzt zur Sanierung der eigenen Finanzen. Die durch kaiserliche Schenkungen oder zu wohlfeilen Preisen erworbenen so genannten «Rebellengüter» vermehrten den Besitzstand Karls von Liechtenstein bedeutend. Nach der Ernennung zum kaiserlichen Statthalter und Vizekönig von Böhmen im Jänner 1622 wurde Karl we- nig später in Anerkennung seiner für das Haus Habsburg geleisteten treuen Dienste mit dem Orden vom Gol- denen Vlies ausgezeichnet. Mit der Belehnung des Her- zogtums Jägerndorf am 23. Mai 1623 hatte Fürst Karl den 
resignierte Karl schriftlich auf das Obersthofmeisteramt und zog sich auf seine Besitzungen zurück. Als Landeshauptmann von Mähren setzte der Fürst 1608 die Huldigung der Stände und die damit verbun- dene Anerkennung von Erzherzog Matthias als neuen Landesherrn der Markgrafschaft durch. Matthias war sich der Wichtigkeit der Unterstützung durch die Familie Liechtenstein bewusst. Die am 20. Dezember 1608 vom König ausgestellte Urkunde, mit der Karl von Liechten- stein und seine jeweils erstgeborenen Nachkommen unter Überspringung der Grafenwürde in den erblän- dischen Fürstenstand erhoben wurden, ist sicher auch als eine Geste des Dankes zu verstehen.8 
Als der aus einfachen Verhältnissen stammende Kardinal Melchior Khlesl (1552–1630) zur ersten Kraft am Hofe von Kaiser Matthias aufgestiegen war, zog sich Fürst Karl enttäuscht zurück und widmete sich vermehrt der Verwaltung und der wirtschaftlichen Nutzung seines immer grösser ge- wordenen Grundbesitzes. Mit der Übernahme des ihm von Kaiser Matthias am 4. Januar 1614 zu Lehen gegebenen prestigeträchtigen schlesischen Herzogtums Troppau hatte Fürst Karl von Liechtenstein zu seinem Titel auch das entsprechende Land dazu gewonnen. Die kriegerische Auseinander- setzung mit den protestantischen Ständen von Nieder- österreich, Mähren und Böhmen nach dem Tode von Kaiser Matthias 1619 sahen Fürst Karl an der Seite von Matthias’ Nachfolger Kaiser Ferdinand II. (1578–1637). Der zeitweilige Verlust der in Niederösterreich und Böh- men gelegenen Herrschaften wurde nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen in der Schlacht am Weissen Berg bei Prag am 7. November 1620 bei Weitem kompensiert. Nach dem Abzug von Herzog Maximilian I. von Bayern ernannte Kaiser Ferdinand II. Fürst Karl I. zum «subde- legirten commissarius» in Prag und stattete ihn mit allen notwendigen Kompetenzen aus.9 
Der Straf- und Schau- prozess gegen die Anführer des böhmischen Aufstands – oder, aus anderer Sicht, Freiheitskampfes – stand offi- ziell unter der Leitung Karls. In Wirklichkeit aber wurde der Prozess von Wien aus gesteuert.10 Er endete am 21. Juni 1621 mit der Exekution der Todesurteile, die Kai- ser Ferdinand II. schon vor dem Beginn der gerichtlichen Untersuchungen als abschreckendes Exempel festgesetzt hatte: das «Blutgericht» von Prag. Als Leiter des von Kai- ser Ferdinand II. eingesetzten «Münzkonsortiums» war Karl I. wesentlich an der Münzverschlechterung der Kapitel_5_Haupt.indd   10922.10.12   12:37
	        

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