Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

89 Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Jahrbuch Band 110, 201168 
 Vgl. Jahresberichte des Vereins «Tibet-Unterstützung Liechten- stein» 1993 bis 1999. 69  Akteneinsicht Landesarchiv vom 8. Oktober 2001 durch Jeannet- te Good. 70  Hier und im Folgenden nach Regierungsentscheid RA 94/4420 vom 30. November 1994. 71  Ebenda, S. 8. 72  Ebenda, S. 
2. 
Aufgrund der obengenannten Ausführungen, beson- ders aber wegen der in den Verhören hervorgetretenen Ungereimtheiten und der teilweise zweifelhaften Dar- stellungen über den Hergang der Flucht, war für die Regierung nicht ersichtlich, ob es sich bei den um Asyl ansuchenden Personen um politische Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention handelte. Eine Ausweisung der 18 Tibeter konnte hingegen nicht vor- genommen werden, weil nicht mit absoluter Sicherheit gewährleistet war, dass sie in ihrer Heimat nicht an Leib und Leben gefährdet sein würden. Deshalb entschied die Regierung in ihrer Sitzung vom 29. November 1994 kollektiv für alle 18 Tibeter wie folgt: «1. Es wird festgestellt, dass von den 18 Flüchtlingen der Nachweis nicht erbracht werden konnte, dass sie Flüchtlinge im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 sind. Das Gesuch um Gewährung von Asyl vom 3. Oktober 1993 wird deshalb abgelehnt. 2. ... aufgrund der unklaren Situation in Tibet [ist eine Ausschaffung] derzeit nicht möglich..., [die Regie- rung verfügt] die vorläufige Aufnahme der 18 tibeta- nischen Flüchtlinge... 3. Die vorläufige Aufnahme der 18 Gesuchsteller gilt bis zum 1. Januar 1996. 4. Den Gesuchstellern wird die Aufnahme einer Er- werbstätigkeit bewilligt. 5. Die Regierung sichert den Gesuchstellern eine Neu- überprüfung des Asylgesuches zu, sofern neue wich- tige Gründe vorgebracht werden können, welche eine neuerliche Beurteilung dieser Asylsache durch die Regierung rechtfertigen...».72 Gegen diesen Regierungsentscheid legte Ursula Wachter fristgerecht Rekurs ein. 
Informationen angehalten werden sollten. Ansonsten könnten sich die noch ungeklärten Fragen zum Nachteil der Flüchtlinge auswirken.70 Nebenbei veranlasste die Regierung die liechtensteinische Botschaft in Bern, beim UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR abzuklären, ob über tibetische Asylanträge bereits in anderen Staa- ten negativ entschieden worden war oder ob es möglich wäre, die Tibeter an Staaten mit bereits vorhandener «Tibeter-Kolonie» weiterzuvermitteln. Zur einwandfreien rechtlichen Abklärung der Situa- tion rund um die 18 tibetischen Flüchtlinge beauftragte der Verein «Tibet-Unterstützung Liechtenstein» die Juristin Ursula Wachter. Sie übernahm als Rechtsanwältin das Mandat für die 18 tibetischen Flüchtlinge. Mit Schrei- ben vom 25. August 1994 unterrichtete Ursula Wachter die Regierung über die Mandatsübernahme. Daraufhin erhielt sie Akteneinsicht und war bei den weiteren Ver- hören anwesend. Ursula Wachter wandte sich am 12. Oktober 1994 an das Tibet Office in Zürich (Vertretung der tibe- tischen Exilregierung in der Schweiz) mit der Bitte, eine Stellungnahme zur vorherrschenden Menschenrechts- situation in Tibet und zur Herkunft der 18 tibetischen Flüchtlinge in Liechtenstein abzugeben. Mit Brief vom 20. Oktober 1994 teilte ihr das Tibet Office mit, dass es sich bei den asylansuchenden Personen um «ethnische Tibeter»71 
handle. Zudem gab das Tibet Office auch eine Stellungnahme zur Menschenrechtssituation in Tibet ab. Diese neu dazu gekommenen Unterlagen reichte Ursula Wachter am 24. Oktober 1994 der Regierung in Vaduz nach. Mit diesen weiteren Dokumenten sei nun offen- sichtlich, dass es sich bei diesen Leuten um Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskommission handle. Am 25. Oktober 1994 behandelte die Regierung in ihrer Sitzung den Bericht des Botschafters in Bern, welcher die Antworten seitens des UNHCR auf die auf- geworfenen Fragen beinhaltete. Das UNHCR war der Meinung, dass eine Rückschaffung aufgrund der derzeit in Tibet herrschenden Umstände nicht möglich sei. Im Weiteren sei dem UNHCR nicht bekannt, dass in ande- ren Ländern «Tibeter-Kolonien» vorkämen, da die Tibe- ter in Statistiken entweder unter Diverse oder als Chi- nesen erfasst würden. Eine Vermittlung der Tibeter an ein anderes Land durch das UNHCR komme nicht in Frage. Zusätzlich informierte das UNHCR, dass 1993 europa- weit nur 37 Tibeter um politisches Asyl angesucht hätten. Kapitel_3_Frick_Good.indd   8926.07.11   13:45
	        

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