Volltext: Jahrbuch (2011) (110)

86Frick Nadja/Good Jeannette: Vertrieben aus der 
Heimat 
dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstel- lung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), dem ergänzenden Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967, der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 sowie der Europäischen Menschen- rechtskonvention beigetreten.58 Eine innerstaatliche Aus- führungsgesetzgebung dazu fehlte jedoch. Bei den 18 tibetischen Flüchtlingen ging es primär um die Frage, welchen Status sie gemäss Genfer Flücht- lingskonvention genossen, ob sie politische Flüchtlinge gemäss dieser Konvention waren oder nicht. Gemäss Artikel 1 «... sind Flüchtlinge Personen, welche sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer be- stimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung ausserhalb ihres Heimatlandes befinden und dessen Schutz nicht beanspruchen können oder we- gen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen wollen.»59 Weiters wird unter Artikel 33 ausgeführt, dass «[kein Staat einen Flüchtling] in irgendeiner Form in das Gebiet eines Landes ausweisen oder zurückstellen [darf], wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Reli- gion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen An- schauungen gefährdet wäre.»60 Mit Abgabe des Asylantrags vom 3. Oktober 1993 auf Schloss Vaduz kam der Rechtsapparat Liechtensteins schliesslich in Bewegung. Kurz nach Ankunft der 18 ti- betischen Flüchtlinge fand am 12. Oktober 1993 eine kol- lektive Einvernahme der 13 erwachsenen Asylbewerber durch die Landespolizei statt. Weitere Verhöre erfolgten am 14. Oktober 1993 sowie am 6. Dezember 1993.61 Da sich der Verein «Tibet-Unterstützung Liechten- stein» von Anfang an sehr für diese Flüchtlinge einsetzte, fand er sich befugt, der liechtensteinischen Regierung eine Stellungnahme zu deren Aufnahme abzugeben. In seinem Schreiben vom 19. Dezember 1993 an die Regie- rung vermittelte er einen kurzen historischen Überblick über Tibet von 1949 bis Dezember 1993, informierte über den Stand der bisherigen Integrationsarbeiten, äusserte den Wunsch, die Regierung wolle durch die Aufnahme der Flüchtlinge ein Zeichen der Humanität setzen, und ersuchte die Regierung, den Tibetern Residenz und Arbeit zu gewähren. In der Folge kam es am 10. März 1994 zu einem Gespräch zwischen dem Präsidenten des 
ses Fest vom Verein «Tibet-Unterstützung Liechtenstein» in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft «Schweizerisch- Tibetische Freundschaft». Rund 250 Tibeter und Tibet- Freunde feierten mit. Dies war wiederum ein Schritt zur Annäherung an die liechtensteinische Bevölkerung.57 Die Gemeinde Balzers ermöglichte im März 1994 den tibetischen Flüchtlingen den provisorischen Einzug in das alte Balzner Pfarrhaus. Dieses historische Gebäude, das über eine grössere Anzahl Räume verfügt, gewährte den Flüchtlingen etwas mehr Raum und mehr Privat- sphäre. Als wichtiges Integrationsziel bemühte sich der Verein «Tibet-Unterstützung Liechtenstein» darum, den Asylbe- werbern ein gewisses Mindestmass an Ausbildung zu er- möglichen, sei es in Form von Vor- und Anlehren für die Erwachsenen oder der regulären Schulbildung für die Kinder und Jugendlichen. Die Primar- beziehungsweise Realschule Balzers nahm die Kinder und Jugendlichen im Mai 1994 vorläufig als Gastschüler bei sich auf. Dem Deutschunterricht wurde spezielle Aufmerksamkeit ge- widmet, weil sich mit dem Stand der Deutschkenntnisse die Aussichten auf eine gute Ausbildungsmöglichkeit er- höhten. Die rechtliche Situation bis Mai 1994 Bis ins Jahr 1994 verfügte Liechtenstein über kein Asyl- beziehungsweise Flüchtlingsgesetz. Liechtenstein war Gesprächsrunde mit Dolmetscherin Dechen Kaning. Kapitel_3_Frick_Good.indd   8626.07.11   13:45
	        

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