Volltext: Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und direkte Demokratie

Den Aktualisierungsprozess der Meinungsbildung – z. B. etwa im Falle von Wahlen und Abstimmungen – versteht Zaller als Stichproben- ziehung, womit die Sample-Komponente des RAS-Modells angespro- chen ist. Mit dieser Vorstellung wird davon ausgegangen, dass Menschen sich unter keinen situativen Umständen tatsächlich die Zeit nehmen oder auch (unabhängig vom Zeitproblem) in der Lage wären, alle ihnen prin- zipiell verfügbaren Erwägungen zu aktualisieren und gegeneinander ab- zuwägen, denn: «Life is too short and the human mind too fallible» (Zal- ler 1992, 38). Damit ergibt sich die Frage, welche der verfügbaren Erwägungs- gründe tatsächlich herangezogen werden, wenn eine Meinung konkreti- siert werden soll. Die Auswahl der benutzten Erwägungen streut nicht zufällig, wenn sie auch schwer kalkulierbar sein mag. Hier argumentiert der Autor mit dem sogenannten Accessibility-Konzept (Iyengar 1990). Das entsprechende Axiom Zallers (1992, 48) besagt: Erwägungen, die vor kurzem aktualisiert worden sind, sind schneller und einfacher aus dem Speicher abrufbar und haben insoweit erhöhte Chancen, zur Grundlage der Meinungsäusserung zu werden. Umgekehrt, je älter eine prinzipiell verfügbare Erwägung ist, desto geringer die Chance, dass sie oder ähnliche Erwägungen in das situativ verwendete Ensemble von Erwägungsgründen gelangen. In Studien zur individuellen Meinungsbil- dung bei Sachabstimmungen ist daher auf die Bedeutung von Kampa- gnen- und Medieninformationen in den letzten Wochen vor dem Wahl- tag verwiesen worden (Joslyn / Haider-Markel 2000). Die Zusammensetzung des Samples (und die Gründlichkeit mit der saldiert wird) hängt freilich nicht nur vom Speicherdatum der Erwä- gung, sondern auch von der gegebenen Situation ab, in der die Mei- nungsäusserung gefragt ist und abgegeben werden muss. In den Fällen, wo «auf die Schnelle» nur ein einzelner Erwägungsgrund im Fundus zu- gänglich ist, wird die Meinungsäusserung genau diesem Beweggrund folgen. Sollte die Entscheidungssituation dem Betroffenen mehr Zeit las- sen – wie etwa bei Abstimmungen –, sodass er sich eine Mehrzahl von Erwägungen verfügbar machen kann, wird er eine Art durchschnitt - licher Tendenz aller Erwägungen ermitteln und seine Meinungsäusse- rung daran ausrichten. Sollten mehrere Erwägungen zugriffbereit sein und diese gar unterschiedliche Meinungsrichtungen nahe legen, so wird er, um es kaufmännisch auszudrücken, einen Saldo der Erwägungen bil- den und sein Meinungsstatement in Richtung der überwiegenden Erwä- 54Öffentlichkeit, 
öffentliche Meinung und Demokratie
	        

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