Volltext: Was will Liechtenstein sein?

tensteins zum Europarat und die Unterzeichnung seiner Konvention mit den kantisch universell formulierten, in Europa geschützten Menschen- rechten – und wäre es nur um der wissenschaftlichen Meinungsfreiheit willen gewesen. Der Europarat, eine erweiterte Heimat unter erweiter- tem Horizont. Ich komme zur Gegenwart. Und ich möchte an unserem Jubiläum nicht über sie hinwegsehen. Was am Staatsfeiertag 15. August 2001 pas- siert ist, trifft die LAG in ihrer Mitte. Die neuen Töne waren schon an- geschlagen, als auf Wunsch des Fürsten 1990 eine zweite Huldigungs- feier stattfand, diesmal zusammen mit dem Volke auf der Schlosswiese, wo der Fürst (mit dem Erbprinzen) das feierliche Gelöbnis auf die gel- tende Verfassung wiederholte. Die formelle Huldigung war schon 1989 anlässlich des Thronwechsels gemäss Verfassungsvorschrift vom Land- tag geleistet worden. Zur Huldigung 1990 erklärte der Fürst in einem In- terview: «[Die Feier] ist ein Zeichen der Verbundenheit zwischen dem Volk und dem Fürsten, der das Gelöbnis leistet, dass er die Rechte des Volkes achten und schützen wird, und dann ist das Volk, das verspricht, dem Fürsten Gefolgschaft zu leisten.»18Josef Seifert gibt dem Volk den Vorrang. Er schreibt: «Die Volkssouveränität wird zweifellos durch die geplante, vom Fürsten angeregte Verfassungsänderung gestärkt, da nun erstmals das Volk alleine, ohne Zustimmung des Fürsten, die Staatsform ändern kann.»19Das souveräne Volk soll die Staatsform aufheben (!), was niemand will – in einem, genauer besehen, überaus hürdenreichen und komplizierten und in der Realität gar nicht durchführbaren Verfahren. Das weckt Assoziationen an das berüchtigte Diktum des deutschen Staatsrechtslehrers Carl Schmitt: «Souverän ist, wer über den Ausnah- mezustand entscheidet.»20Mario Frick21und Thomas Nigg22haben in der Presse mit einem Vergleich sehr einleuchtend reagiert und bemerkt, dass man eine Ehe mit ihrem Reichtum nicht von ihrer Auflösungsmög- 201 
50 Jahre LAG: Einige Erinnerungen und Gedanken (und viel Selbstlob) 18Liechtensteiner Volksblatt vom 14. August 1990. 19Leserbrief, in: Liechtensteiner Vaterland vom 29. November 2001. 20Carl Schmitt, Politische Theologie – Vier Kapitel zur Lehre der Souveränität, Mün- chen/Leipzig 1934, S. 11. 21Dr. Mario Frick war von 1993 bis 2001 liechtensteinischer Regierungschef. Zum Zeitpunkt seiner Wahl war er mit 28 Jahren der jüngste Regierungschef der Welt. 22Dr. Thomas Nigg promovierte 1996 mit einem Vergleich über das liechtensteinische und schweizerische Vereinsrecht.
	        

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