Volltext: Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz in der Rechtsprechung des liechtensteinischen Staatsgerichtshofes

Das Bundesgericht anerkennt ein neues ungeschriebenes Grundrecht, wenn dieses 
eine Voraussetzung für die Ausübung anderer (in der Ver- fassung genannter) Freiheitsrechte bildet. Dieses Kriterium hat aber nur eine eigenständige Bedeutung, wenn eine Verfassung – wie die alte Bun- desverfassung – einen lückenhaften Grundrechtskatalog aufweist. Bei der nachgeführten neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 handelt es sich um einen relativ umfassenden Grundrechtskatalog. Daher ist kaum Bedarf an einem Grundrecht, das zur Ausübung anderer in der Verfassung genannter Freiheitsrechte dient.129 Alternativ anerkennt das Bundesgericht auch ungeschriebene Grundrechte, 
die als unentbehrlicher Bestandteil der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes erscheinen. Diesem Krite- rium kommt auch nach Ausweitung des Grundrechtskataloges der neuen Bundesverfassung weiterhin eine beachtliche Bedeutung zu. Denn mit dem Wandel der gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Verhältnisse können für die demokratische und rechtsstaatliche Ord- nung immer wieder neue Bedrohungslagen entstehen.130 Das Bundesgericht macht darüber hinaus eine Konsensprüfung. Es untersucht, ob die in Frage stehende Gewährleistung bereits einer weit- verbreiteten Verfassungswirklichkeit in den Kantonen entspricht und von einem allgemeinen Konsens getragen ist. Es berücksichtigt dabei das geschriebene Verfassungsrecht der Kantone, die geübte Gerichts- und Behördenpraxis, die Staats- und Verwaltungsrechtslehre und andere 359 
Kriterien für die Anerkennung ungeschriebener Grundrechte 129Vgl. Kley, Grundrechtskatalog, S. 307. Das Kriterium kann am Beispiel des Grund- rechts auf persönliche Freiheit veranschaulicht werden. Das Bundesgericht hat in der Entscheidung BGE 89 I 92 Erw. 3 ausgeführt: «Die persönliche Freiheit im Sinne der physischen Freiheit, d.h. der Freiheit über den eigenen Körper […] ist die Vor- aussetzung für die Ausübung aller andern Freiheitsrechte und bildet damit einen unentbehrlichen Bestandteil der rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes. Nach der heute herrschenden Auffassung gehört die Garantie der persönlichen Freiheit daher wie die Eigentumsgarantie dem ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes an[…].» Zur Entwicklung des Grundrechts der persönlichen Freiheit in der Recht- sprechung des Bundesgerichts siehe Zürcher-Lorez, S. 20 ff.; Schäfer, S. 41 ff. 130Vgl. Müller J. P., Elemente, S. 24 f.; Zürcher-Lorez, S. 44 ff. und S. 59; Tschannen, S. 233 ff. Andreas Kley meint dagegen einschränkend, dass durch den nachgeführ- ten, erweiterten Grundrechtskatalog der grundrechtliche Schutz relativ umfassend gewährleistet sei. Gestützt auf die bisherige Praxis habe das Bundesgericht in den nächsten Jahren kaum eine Möglichkeit ein neues ungeschriebenes Grundrecht an- zuerkennen. Vgl. Kley, Grundrechtskatalog, S. 307 und S. 312.
	        

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