Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

Ernst Benda/Eckart Klein478räumen zwar ein, dass es oftmals kompliziert sei, im Einzelfall die tragenden von den nicht tragenden Gründen (obiter dicta) zu unterscheiden. Unmöglich sei ein solches Un- terfangen aber nicht. Dem Argument der «Kanonisierung» der Ent- scheidungsgründe und der «Verkrustung» des Verfassungslebens halten sie entgegen, dass es der klare Wille des Gesetzgebers gewesen sei, die Organe von Bund und Ländern an die verfassungsgerichtlichen Ent- scheidungen über den konkreten Anlassfall hinaus zu binden. Ohne Ein- beziehung der «tragenden Gründe» sei dabei nicht auszukommen, denn die Konkretisierung des Verfassungsrechts und seine inhaltliche Bestim- mung erfolge nicht im Tenor, sondern in den Entscheidungsgründen. Wenn die verfassungsgerichtliche Entscheidung Einfluss auf das Verhal- ten der staat lichen Organe über den Einzelfall hinaus haben solle, dann sei die Bindungswirkung auf die «tragenden Gründe» zu erstrecken. Eine «Kanonisierung» der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung könne dadurch nicht entstehen. Dies ergebe sich zum einen aus der Be- schränkung der Bindungswirkung auf gleichgelagerte Fälle und zum an- deren aus der inhaltlichen Ausrichtung auf die ratio decidendi. Beides lasse genügend Spielraum für Differenzierungsmöglichkeiten und unter- binde Innovationen nicht. Nach ihnen besteht daher kein Anlass für eine «Dämonisierung der Bindungswirkung». Eine «Verkrustung» des Ver- fassungslebens sei bislang nicht eingetreten und drohe auch künftig schwerlich einzutreten.479 bbb) Liechtenstein Der Staatsgerichtshof hat sich, soweit ersichtlich, mit dieser Thematik noch nicht auseinandergesetzt. Der Gesetzeswortlaut «die Entscheidun- gen des Staatsgerichtshofes» kann sowohl weit als auch eng ausgelegt werden. Für eine enge Auslegung, die unter Entscheidung lediglich den Entscheidungsspruch versteht, spricht ein Vergleich von Art. 54 Satz 1 mit den besonderen Bestimmungen des Staatsgerichtshofgesetzes. Es ordnet in den besonderen Bestimmungen für jede Verfahrensart unter 852Entscheidungswirkungen 
478Benda/Klein S. 546, Rz. 1325; siehe zur Möglichkeit der Ermittlung der tragenden Entscheidungsgründe auch Ziekow, S. 527 f.; anders dagegen Schlaich/Korioth, S. 341 ff., Rz. 488 ff. und Hoffmann-Riem, S. 349 ff. 479Benda/Klein, S. 548, Rz. 1329 f.; vgl. zum Verhältnis von Bindungswirkung und In- novation auch Ziekow, S. 527 und Lange, S. 6.
	        

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