Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

Rechtskraft haben, als Auslegungshilfe zur Bestimmung des Streit- bzw. Verfahrensgegenstandes und damit zur Ermittlung der Rechtskraftgren- zen konsultiert. Dies ist vor allem bei abweisenden Entscheidungen ge- boten.300Der österreichische Verfassungsgerichtshof zieht daher bei ne- gativen (normbestätigenden) Normprüfungserkenntnissen die objekti- ven Grenzen der Rechtskraft gar so weit, dass der Spruch und die zu sei- ner Interpretation massgeblichen Gründe in Rechtskraft erwachsen, wenn die Entscheidung in einem für diese Norm bestimmten Normprü- fungsverfahren ergangen ist.301 Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat nicht nur Streitent- scheidungen zwischen Parteien, soweit es solche überhaupt gibt, zu tref- fen, sondern auch die Verfassung auszulegen. Im Lichte dieser Aufgaben- stellung gilt es zu beachten, dass die materielle Rechtskraft bundesverfas- sungsgerichtlicher Entscheidungen teilweise anders bestimmt und be- grenzt werden muss als diejenige der fachgerichtlichen Entscheidungen. Sie reicht nämlich nur soweit, wie der Streit- bzw. Verfahrensgegenstand tatsächlich (verfassungsrechtlich) geprüft worden ist.302Ist etwa bei der Entscheidungsfindung ein bestimmter (verfassungsrecht licher) Aspekt nicht gewürdigt worden, kann in einem späteren Verfahren derselbe An- trag gestellt werden, wenn er nunmehr auf diesen Gesichtspunkt gestützt wird. Insoweit unterscheidet sich der Verfassungsprozess von den fach- gerichtlichen Verfahren, wonach eine erneute Klage mit demselben pro- zessualen Anspruch unzulässig ist, auch wenn sie sich ausdrücklich auf 817 
§ 48 Im Besonderen 300Vgl. Detterbeck, S. 333; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, S. 310, Rz. 69; Ren- nert, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31, Rz. 38; Brox, S. 819; Cremer, S. 251; Kerbusch, S. 25, FN 80 spricht von der sogenannten relativen Rechtskraft der Ent- scheidungsgründe. 301Siehe Pöschl, S. 139 f.; vgl. auch Oberndorfer, S. 204. In Deutschland (§ 31 BVerfGG bzw. liecht. Art. 54 StGHG) wird die Problematik der «massgeblichen bzw. tragen- den Gründe» einer Entscheidung nicht im Zusammenhang mit den objektiven Grenzen der Rechtskraft, sondern im Zusammenhang mit den objektiven Grenzen der Bindungswirkung thematisiert und kontrovers diskutiert. Dazu ausführlich hin- ten S. 843 ff. Diese Ausdehnung der objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft bei negativen Normprüfungserkenntnissen auch auf die massgeblichen Gründe ist darauf zurückzuführen, dass die österreichische Rechtsordnung in Art. 139 Abs. 6 und 140 Abs. 7 B-VG eine dem § 31 BVerfGG und Art. 54 StGHG ähnliche Bin- dungswirkung nur für normaufhebende und nicht auch für normbestätigende Er- kenntnisse vorsieht. 302Detterbeck, S. 333; siehe dazu auch Rennert, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31, Rz. 39.
	        

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