Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

fochtene Entscheidung beeinträchtigt wird.575Erhält der Rechtsmittel- werber in der von ihm angefochtenen Entscheidung das, was er ange- strebt hat, hat er auch kein von der Rechtsordnung gebilligtes Interesse an einer Abänderung der Entscheidung. Es besteht in aller Regel keine Veranlassung, ein Rechtsmittel zuzulassen.576In diesem Sinne versteht der Staatsgerichtshof die Beschwer, wenn er in StGH 1998/25577aus- führt, dass sich eine Beschwer grundsätzlich nur aus der Diskrepanz zwischen dem Sachantrag und dem Spruch der Entscheidung ergibt. Aus der Sicht der Zivilprozesslehre, die zwischen formeller und materieller Beschwer unterscheidet, handelt es sich bei dieser Umschrei- bung der Beschwer durch den Staatsgerichtshof um die sogenannte for- melle Beschwer, «die dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht».578Ausgangspunkt aller Beschwerprüfungen im Zi- vilverfahren ist die formelle Beschwer. Auf die materielle Beschwer braucht erst dann zurückgegriffen zu werden, wenn kein Sachantrag vorliegt, mit dem die Entscheidung verglichen werden könnte.579 Letztlich geht es darum, blosser Rechthaberei oder experimenteller Jurisprudenz vorzubeugen, um zu verhindern, dass die Rechtsprechung unnötig in Anspruch genommen wird.580So gesehen handelt es sich beim Erfordernis der Beschwerdelegitimation im engeren Sinne (Beschwerde- fähigkeit bzw. Beschwer bzw. aktuelles Rechtsschutzinteresse) «um ein prozessrechtlich orientiertes Rechtsmissbrauchsverbot».581Der Staatsge- richtshof pflegt wohl aus Rücksicht auf seine Leitfunktion als Verfas- sungsgericht keinen strengen Umgang mit der Beschwerdelegitimation im engeren Sinne als Zulässigkeitsvoraussetzung, soweit das aktuelle Rechtsschutzinteresse betroffen ist. Er lässt nämlich Verfassungsbe- schwerden (neu: Individualbeschwerden) auch dann zu, wenn das aktu- 536Sachentscheidungs- 
bzw. Sachurteils voraussetzungen 575Siehe Rechberger/Simotta, S. 480, Rz. 813. Nach Hagen, S. 76 ist die Beschwer sys- tematisch als allgemeine Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzung und dogmatisch als besondere Erscheinung des Rechtsschutzbedürfnisses einzuordnen. 576Vgl. Rechberger/Simotta, S. 480 f., Rz. 813. 577StGH 1998/25, Urteil vom 24. November 1998, LES 1/2001, S. 5 (6). 578Rechberger/Simotta, S. 481, Rz. 814. 579Rechberger/Simotta, S. 481, Rz. 814 f. 580Vgl. für das Zivilprozessrecht Rechberger/Simotta, S. 481, Rz. 813 und für das Ver- waltungsrecht Kley, Grundriss, S. 305 f.; siehe auch vorne S. 526 ff. und FN 539. 581Kley, Grundriss, S. 306.
	        

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