Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

nicht restlos geklärt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat zur Zu- lässigkeit solcher erneuten Vorlagen noch nicht abschliessend Stellung genommen.524 bb) Urteilsumfang und zeitliche Grenzen Massgebend ist die Frage, ob das ganze Urteil oder welcher Teil des Ur- teils in (materielle) Rechtskraft erwächst und Bindungswirkung entfaltet (Art. 54 StGHG).525Von Bedeutung sind auch die zeitlichen Grenzen der (materiellen) Rechtskraft von verfassungsgerichtlichen Entscheidun- gen526, da sich nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesverfas- sungsgerichts die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung stets auf den Zeitpunkt, in dem die Entscheidung ergeht, bezieht und demnach Veränderungen, die erst später eintreten, von der Rechtskraft nicht er- fasst werden.527Eine Zweitvorlage in einem Normenkontrollverfahren ist nach dem deutschen Bundesverfassungsgericht dann zulässig, wenn sie sich auf neue Tatsachen, die erst nach der früheren Entscheidung ent- standen sind, stützt.528Zu neuen Tatsachen rechnet es beispielsweise einen grundlegenden Wandel der Lebensverhältnisse oder den Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung.529Auf solche Umstände muss im 525 
§ 30 Allgemeine Sachentscheidungs- bzw. Sachurteilsvoraussetzungen 524So Benda/Klein, S. 106, Rz. 245. 525Siehe einlässlich dazu hinten S. 850 ff.; zu dieser Problematik aus deutscher Sicht Brox, S. 812 ff. Je nach Umfang der Bindungswirkung des Urteils wären auch die Ausführungen von Wille, Normenkontrolle, S. 339 zu relativieren, wenn er schreibt: «Dies dürfte allerdings für Regierung und Gemeindevertretung im abstrakten und für die Gerichte im konkreten Normenkontrollverfahren nicht zutreffen, da sie ver- pflichtet sind, von der Auffassung des Staatsgerichtshofes auszugehen, die betref- fenden Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen seien verfassungs- beziehungs- weise gesetzmässig». Je nach Umfang der Bindungswirkung des Urteils und der zeitlichen Grenzen der materiellen Rechtskraft dürften auch die Regierung, die Ge- meinden und die Gerichte einen erneuten Normenkontrollantrag stellen. 526Vgl. Schlaich/Korioth, S. 335, Rz. 480; siehe für Österreich Machacek, S. 94. 527Vgl. Rennert, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31, Rz. 47 mit Rechtsprechungshin- weisen. Ähnlich judiziert auch der österreichische Verfassungsgerichtshof. Siehe Ma- chacek, S. 94 mit Rechtsprechungshinweisen. Er weist auch darauf hin, dass die Rechtskraft des in einem Verfahren nach Art. 139 oder 140 B-VG gefällten Erkennt- nisses nicht nur Identität der Bedenken, sondern auch Identität der Norm voraussetzt. 528Siehe Benda/Klein, S. 107, Rz. 245; vgl. dazu auch Pestalozza, Verfassungsprozess- recht, S. 310, Rz. 69 unter Hinweis auf BVerfGE 70, 242 (249); für Österreich siehe Machacek, S. 94. 529Siehe Benda/Klein, S. 107, Rz. 245 und Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, S. 310, Rz. 69.
	        

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