Verkündung muss nicht mündlich geschehen. Es reicht schon aus, wenn letztinstanzliche, ein Rechtsmittel verwerfende Entscheidungen ledig- lich den Beteiligten zugestellt werden. Sie müssen aber der Öffentlich- keit zugänglich gemacht werden, beispielsweise so, dass bei Gericht Ein- sicht genommen oder bei ihm eine Kopie angefordert werden kann.667 Nicht zum Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgrundsatzes ge- hört, welche Prozesshandlungen und wie sie in einer Verhandlung vor- genommen werden müssen. Dies sind Fragen des Unmittelbarkeits- und Mündlichkeitsprinzips, welche Grundsätze mit eigenständigem Gehalt darstellen.668 Art. 6 Abs. 1 EMRK normiert auch Tatbestände, die den Aus- schluss der Öffentlichkeit für zulässig erklären. Ein Anspruch auf Nichtöffentlichkeit ist aber aus Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht ableitbar.669 E.Rechtsnatur des Öffentlichkeitsprinzips Der Anspruch auf Öffentlichkeit des Verfahrens ist ähnlich wie derje- nige auf rechtliches Gehör formeller Natur. Eine Verletzung dieses An- spruchs führt demnach – ungeachtet der Richtigkeit eines Urteils – zu dessen Aufhebung.670 F.Öffentlichkeit im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof 1.Gesetzliche Ausgestaltung Das Staatsgerichtshofgesetz regelt in Art. 47 die Öffentlichkeit der «Ver- handlungen vor dem Staatsgerichtshof» und meint damit alle ver - 387
§ 25 Öffentlichkeits- und Mündlichkeits prinzip 667Siehe Frowein/Peukert, Art. 6, Rz. 119; vgl. auch Grabenwarter, EMRK, S. 375, Rz. 59. Zur Kritik an der Rechtsprechung zur Gleichwertigkeit alternativer Veröf- fentlichungspraktiken in den Mitgliedstaaten siehe Grabenwarter, Verfahrensgaran- tien, S. 583 ff. und insbesondere S. 587 f. 668Vgl. Spühler, Öffentlichkeit, S. 318. 669Frowein/Peukert, Art. 6, Rz. 120 f.; Spühler, Öffentlichkeit, S. 316 und Keiser, S. 7; vgl. auch Thürer, Justiz und Medien, S. 423. 670Spühler, Öffentlichkeit, S. 323; vgl. zur Rechtsnatur des rechtlichen Gehörs vorne S. 345 f.