Volltext: Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht

5.Unterschiedlicher Befangenheitsmassstab von Staatsgerichtshof und schweizerischem Bundesgericht Die von der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonven- tion garantierte richterliche Unabhängigkeit bzw. Unparteilichkeit kann letztlich nur vermutet werden. Sie lässt sich förmlich nicht beweisen.174 Aus diesem Grund stellt das schweizerische Bundesgericht an den Nachweis einer fehlenden Unabhängigkeit keine allzu strengen Mass- stäbe.175Gleich verhält sich der Staatsgerichtshof, wenn er zu den mate- riellen Anforderungen an die Unbefangenheit des Richters festhält, «dass an sich schon ein begründeter Anschein der Befangenheit genügt, um dessen Unbefangenheit zu verneinen».176An anderer Stelle schwächt er aber diese Aussage wieder ab, indem er zu bedenken gibt, dass «ge- rade in einem kleinen Gemeinwesen wie in Liechtenstein allzu strenge Befangenheitsmassstäbe die Gerichtsbarkeit übermässig behindern könnten».177Der Staatsgerichtshof beruft sich dabei auf Andreas Kley178, der sich von pragmatischen Überlegungen leiten lässt. Er führt aus: «Eine Befangenheit darf nicht leichthin angenommen werden (…). Es müssen vielmehr effektive, sachliche Gründe für eine Befangenheit vor- liegen. In einem kleinen Land wie Liechtenstein mit beschränkter Perso- nalbasis können Amtsträger nicht beliebig ausgewechselt werden».179 Der Staatsgerichtshof sieht den Anspruch auf ein unbefangenes Gericht gar in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Anspruch auf den pri- mär gesetzlichen Richter. So erklärt er: «Weder soll sich ein Richter un- ter Berufung auf den Ausstand unbequemer Prozesse entschlagen kön- 282Besonderer 
Teil 174Kiener, Unabhängigkeit, S. 69 unter Hinweis auf die ständige Praxis des Bundesge- richts, statt vieler BGE 114 Ia 50, E3b 54 f.; siehe auch Villiger, Handbuch EMRK, S. 264, Rz. 418. 175BGE 113 Ia 407 ff., 409 f. 176StGH 2003/24, Urteil vom 15. September 2003, nicht veröffentlicht, S. 32; StGH 2003/92 und 2003/96, Urteil vom 28. September 2004, nicht veröffentlicht, S. 10; vgl. auch StGH 2001/38, Entscheidung vom 23. April 2002, nicht veröffentlicht, S. 10. 177StGH 2001/38, Entscheidung vom 23. April 2002, nicht veröffentlicht, S. 10; StGH 2003/24, Urteil vom 15. September 2003, nicht veröffentlicht, S. 32; StGH 2003/92 und 2003/96, Urteil vom 28. September 2004, nicht veröffentlicht, S. 10 f. 178Kley, Grundriss, S. 265. 179StGH 2001/38, Entscheidung vom 23. April 2002, nicht veröffentlicht, S. 10; StGH 2003/24, Urteil vom 15. September 2003, nicht veröffentlicht, S. 32 f.; StGH 2003/92 und 2003/96, Urteil vom 28. September 2004, nicht veröffentlicht, S. 11.
	        

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