Volltext: Kleinstaaten in Europa

ganz östreichisch?».23Oder es werde «schweizerisch», wie es Ch. D. Bourcart, der schweizerische Gesandte in Wien, 1919 in einem Bericht an den schweizerischen Bundesrat prophezeite.24Als gänzlich auswegs- los erschien die Lage im Zweiten Weltkrieg. Die Liechtensteiner und Liechtensteinerinnen wussten eines: Sie wollten nicht zum Deutschen Reich gehören. Es war eine Art elementarer negativer Identität. In unserer Zeit indessen, in einer transnational durchlässigen, sich durchdringenden und vernetzenden Staatenwelt ist von einem Land mit wenig Binnenraum gleichsam eine positive Identität und Kohäsion ge- fragt. Sonst zerfliesst es. Die Globalisierung und der Einbezug in die Welt-Staatengemeinschaft treiben uns mehr und mehr zu wissen, was unser Gemeinwesen ausmacht, was seine «Reichtümer» und Eigentüm- lichkeiten sind, welches seine elementaren Interessen und Möglichkei- ten, was wir vielleicht ändern müssen. Dieweil könnten, in nicht zu ferner Zukunft, die grössten Heraus- forderungen aus nächster Nähe auf uns zukommen. In der Schweiz ist zur Frage einer EU-Mitgliedschaft eine permanente Diskussion im Gang. Erstmals in der Geschichte haben sich die Staaten Europas zu ei- ner grossen, nichthegemonialen Friedensordnung, heute «Europäische Union», zusammengefunden mit dem Ziel «einer immer engeren Union der Völker Europas» (Art. 1 Abs. 2 EUV). Sie haben die Achtung der «nationalen Identität» der Mitgliedstaaten in ihren Vertrag eingeschrie- ben (Art. 6 [3] EUV). Sie haben sämtliche unterschiedlichen 20 Sprachen ihrer heute 25 Länder als Amtssprachen der Union aufgenommen. Und: «Jeder europäische Staat, der die in Art. 6 Abs. 1 genannten Grundsätze achtet [d.h. die Grundsätze ‹der Freiheit, der Demokratie, der ...Men- schenrechte sowie der Rechtsstaatlichkeit›] kann beantragen, Mitglied der Union zu werden.» (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 EUV). Für Liechtenstein soll dies unter Umständen nicht gelten? Liechtenstein hat eine alte staatliche Legitimität und gehört zum europäischen Altbestand. Es ist Mitglied des Europarates und des EWR und der Weltgemeinschaft der Staaten. Es verfügt über eine vergleichs- weise grosse Wirtschaftskraft. Wie gesagt aber, könnte es in nicht zu fer- 29 
Liechtenstein – europäische Integration und Globalisierung 23Brief vom 2.7.1848 an Landesverweser Menzinger. 24Bericht vom 23.5.1919 an das Politische Departement, abgedruckt in: Diplomatische Dokumente der Schweiz, Hrsg. Nationale Kommission für die Veröffentlichung diplo matischer Dokumente in der Schweiz, Bd. 7-I, Bern 1979, S. 836 ff.
	        

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