Liechtensteinische
er Jahrgang.
Vaduz, Freitag
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Nr. 34.
dm IS. Juni 1877.
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Amtlicher Theil.
Mit dieSqerichtl. Bescheid von heute wurde Laver Kranz
Nr. 20 in Nendeln als Verschwender erklärt und für ihn ein
Aurator in der Person deS Frz. Mart. Kranz Nr. 8 in
Rendeln aufgestellt.
Vaduz, den 7. Juni;-1-877.
Fürst!, liechtensteinisches Landgericht:
Keßler.
Unsere Wirren.
In meinen Artikeln: „zur Lage", „Streiflichter zum Wähe
rungSstreite" habe ich öfters >und wiederholt darauf aufmerk-
sam gemacht, daß die Münzfrage weniger wegen ihrer aller-
dingS febr »vichtigen materiellen Bedeutung an sich als vielmehr
wegen ihrem durch verschiedene Vorfälle und Zei U
umstände geschaffenen Z ufammen han ge mit un-
serem Berfa sfungSleben eine ganz eminent wichtige
Bedeutung erhalten hat. Ich habe auch mehrfach meine Be
fürchtungen über den Gang der Entwicklung der Dinge nicht
rerbchl» und eS als wahrscheinlich hingestellt, daß die Dinge
wohl erst auf der abschüssigen Bahn „vorwärtSrutschen" werden
und mithin erst eine gründliche Verwirrung und Noth zur
Umkehr auf den gesunden Boden der Verfassung und Ordnung
treiben müsse
Die fdjtn bis jetzt gekommenen Thatsachen scheinen leider
meinen damals ausgesprochenen Befürchtungen Recht zu geben.
Den „Münzwirren" sind die „Wahlwirren" gefolgt, und
beide enthalten in Folge ihrer eigentümlichen Entwicklung
„VerfassunMvirren" in sich. Wir sind also trotz unseres
winzig kleinen Staatswesens wirklich in vaS Labyrinth einer
gründlichen Verwirrung hineingerathen.
Wie nun heraus kommen? Die Zukunft wird eS zeigen.
Ein günstiger Umstand, der für eine raschere und ungefähr-
lichere Abwicklung unserer „KrisiS" spricht, ist der, daß die
oberlandische Bevölkerung durch ihr Verhalten und Auftreten
deutlich und einmüthig erklärt hat, die Verfassung und
Ordnung in erster Linie hochzuhalten über allen Parteian-
sichten und jeden Versuch, eineS ihrer verfassungsmäßigen
Rechte verkürzen zu wollen, entschieden zurückzuweisen. Wir
glauben auch, daß ein ziemlicher Theil der unterlandischen
Bevölkerung solche Anschauungen theilt.
Dem gegenüber muß jedoch in hohem Grade bedauert
werden, daß eine größere Anzahl von Unterland. Wahlmännern
erst jüngst in Form einer schriftlichen Erklärung das fernere
Erscheinen zu den LandtügSwahlen von Bedingungen abhängig
machte, die geradezu dilatorisch die Verfassung auf den Kop
stellen wollen.
5 So viel mir aus glaubwürdiger Quelle bekannt ist (der
Wortlaut der schriftlichen Erklärung selbst steht mir momentan
nicht zu Gebote), gipfeln diese Bedingungen in folgenden 3
Forderungen
MrstenS: ES müssen wenigstens 5 Abgeordnete aus der
Unterland. Bevölkerung gewählt werden.
Zweitens: Soll sofort eine Aenderung des Wahlgesetzes
vorgenommen werden. Und endlich drittens: ES darf wahrend
der kommenden 3 Jahre von einer Münzregelung im zukünf
tigen Landtage keine Rede fein.
Werden diese Forderungen zugesichert, dann werden sie
IM betreffenden umerländ. Wahlmänner) zur Beendigung der
LandtagSwahlen erscheinen.
Ein zwar präzises aber ganz absonderliches „Wahlulti-
matum" in einem konstitutionellen Ländchen.
Am ehesten zu berathen und zu besprechen wäre noch der
erste ResolutionSpunkt, wenn er nicht als eine die Wahl be-
dingende Forderung, sondern als ein durch gegenseitiges fried
liches Übereinkommen ausgesprochenes Compromiß aufgestellt
würde. Laut Verfassung werden die Landtagsabgeordneten
durch absoluten Mehrheitsbeschluß der Bevölkerung resp. der
Wahlmänner in den Landtag gewählt, seien dieselben nun auS
dieser oder jener Gemeinde. ES ist mit dieser grundrechtlichen
Bestimmung unverkennbar ausgesprochen, daß der Landtags-
abgeordnete nicht als Vertreter einer einzelnen Ge-
meinde, sondern als Mandatar des Landes für das
Wohl deS Landes und aller einzelnen Gemeinden gleichmäßig
besorgt sein soll und darnach auch ohne Nebenrücksichten feine
Stimme abzugeben habe. Wenn der Oberländer oder Unter-
länder, odev der Balzner oder Ruggeller im Landtage sitzt, so
hat derselbe nicht als solcher, sondern als Landesabgeordneter
zu sprechen und zu stimmen, weil er eben einen LandeSdienst
und nicht einen HerrschaftS- oder Gemeindedienst zu versehen
hat. DaS verlangt auch der VerfassungSeid, den der neuein-
tretende Abgeordnete zu schwören hat.
Von diesem streng verfassungsmäßigen Gesichtspunkte auS
ist eS daher an sich irrelevant, ob der Landtag in seiner Mehr-
heit oder Ganzheit auS diesem oder jenem LandeSthkile gewählt
ist. ES gebieten jedoch die Rücksichten der Billigkeit, der
Gleichberechtigung und der politischen Klugheit, daß im Interesse
deS Vertrauens der Bevölkerung bei der Wahl auf eine mög-
lichst thunliche und gleichmäßige Vertheilung der LanveSvertretung
getrachtet werde. Insofern? wäre ein Zusammentreten der
Ober- und Unterländer resp. ihrer Vertrauensmänner sehr zu
wünschen gewesen, um sich nach ungefährem Verhältnisse der
Bevölkerungszahl über die Anzahl der auS dem Unter lande zu