Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

Gulden 36 pCt. ZinS (d. h. jährlich 2520 Gulden!) in der 
Art zu zahlen, daß die Zinsen halbjährlich pränumerando ge- 
zahlt werden müssen und etwaige nichtbezahlte Zinsen dem 
Kapitale zugeschlagen werden, so daß sofort ZinS auf ZinS in 
Rechnung tritt " 
Die Landbevölkerung Mährens, wo ebenfalls ganze Dörfer 
den Juden in die Hände, fallen, leidet vor Allem unter der 
raffinirten Form von sogenannten „Ratenbriefen", deren Form 
und Zweck Graf ChorinSki beschreibt. 
AlleS das geschah bisher unter den Formen deS Gesetzes! 
AlS der Jude Getzel Wilkenfeld vor Gericht gefragt wurde, 
wie er denn 50,000 Gulden verlangen könne, wo er in 
Wirklichkeit nur 200 Gulden gegeben, antwortete der Mann: 
„Nach den Gesetzen"! An einem ungarischen Appellationö- 
gerichte kam ein Darlehen von 7 Gulden 5 Kreuzer vor, 
welches durch ZinseSzinS binnen wenig Jahren — „mich den 
Gesetzen"! — auf 3650 Gulden angewachsen war und nun 
eingetragen werden sollte! 
Neueste Nachrichten. 
Nach der „Deutschen Zeitung- ist eine Verschwörung unter 
den russischen Tscherkessen aufgedeckt worden; die Patronen 
wurden entkörnt gefunden, ein Oberst wurde kafsirt, 50 (?) 
Offiziere in Krajova erschossen und viele Soldaten zwangS« 
weise nach Nordrußland gebracht. 
A Konstautinopel, 27. Mai. DaS Bombardement der Ruf- 
sen gegen KarS (in der asiatischen Türkei) hat nachgelassen. 
Die Russen dringen unausgesetzt in der Richtung auf Erzerum 
vor. Eine Schlacht wird erwartet. 
Wien, 28 Mai. Vom Kriegsschauplatz bringen die Blatter 
einige bemerkenswertbe Meldungen. Der „Pester Lloyd" be- 
richtet aus Galata, 26. Mai: Dilaver Pascha hat gestern 
bei Eeki Bulamindsch die russischen Batterien und Fortifikationen 
mit den Kanonenbooten „Semendria" und „Akkia" angegriffen 
lünd nach fünfstündigem unausgesetzten Schießen die Batterien 
auch zum Schweigen gebracht. Die russische Infanterie und 
die bei den Batterien stehenden Kosaken flüchteten. Auf tür« 
tischer Seite ist kein Verlust. — Wie der „N. Fr. Pr." unterm 
26. Mai aus Orfowa bestätigt wird, hat der türkische Kom- 
Mandant von Ada-Kale (Neu-Orfowa) die Passage österreichischer 
Schiffe wieder freigegeben. Die österreichische Dampfschifffahrt- 
Gesellschaft entsendet nun neuerdings ihre Dampfer bis Gruja. 
Als der Donaudampfer „Pannonia" bei vollkommener Wind- 
stille Ada-Kale passirte, war die österreichische Flagge desselben 
nicht erkennbar. Die Festung gab drei blinde Kanonenschüsse, 
ließ jedoch nach Konstatirung deS Dampfers denselben passtren. 
Dieser Zwischenfall dürfte zu vielen falschen Nachrichten Anlaß 
geben, die sich indessen mit obigem Thatbestand erledigen. 
Aus Konstautinopel, 27. Mai, Abends, wird der „Pol. 
Korr." auf indirektem Wege gemeldet: Gleichzeitig mit dem 
Belagerungsstand wurde ein Kriegsgericht eingesetzt, welches 
die Befugniß hat alle wegen Verbrechen gegen die Sicherheit 
des Staates Angeklagten im Fall der Überweisung zur Zwangs 
arbeit und zur Festungshaft zu verurteilen. Die gleicher Ver 
brechen oder Vergehen verdächtigen fremden Staatsangehörigen 
werden mit zwangsweiser Expulsiön bedroht. Die Vertagung 
der Kammer ist unmittelbar bevorstehend. 
Verschiedenes. 
* In Ungarn, Siebenbürgen, der Bukowina und Ru- 
mänien richten Überschwemmungen große Verheerungen an. 
In Pesth hatte man am 23. d. MtS. folgende Berichte: 
Längs der ganzen Marosch-Linie im Csanader Comitat herrscht 
UeberschwemmungSgesahr, Die Städte Mako und Nagylak, 
die Dörfer Kövegy und Ujteny sind am meisten bedroht. Aller- 
orten ertönt die Sturmglocke, AlleS arbeitet vereint an der 
Rettung der Habe« DaS Wasser steigt noch fortwährend, 
auch die TemeS ist ausgetreten. Die Vorstadt TemeSvar ist 
überschwemmt. Trostlos lauten die Berichte von der Sieben 
bürger Bahn; der Verkehr wurde aus allen Linien eingestellt. 
Vom 14. d. wird gemeldet: Die Maros durchriß den Damm 
bei DeSzk, inundirte 800 Joch Anbau; wenn der ComitatS» 
dämm nicht widersteht, ist ein großer Thetl deS BanatS ge 
fährdet. Der Wasserstand der Theiß ist bei Szegedin 24 Fuß 
4 Zoll hoch. Auch der Plattensee war im Steigen begriffen. 
An mehreren Orten sind die Äisenbahndämme beschädigt. 
* Bayern hat sein Werder-Gewehr für die Mauser- 
Patrone mit großen Kosten umgeändert; nun spricht man da- 
von, daß ihm schließlich doch nichts Anderes übrig bleibe, alfr 
das Werber-Gewehr wegzuwerfen und das Mauser-Gewehr 
anzuschaffen. Eine schöne Aussicht für die friedlichen Steuer^ 
zahler! 
* Wien. Die große Glocke des Stephanöthurmes, welche 
1711 von Johann Achamer auS erbeuteten türkischen Kanonen 
gegossen wurde und circa 25,000 Kilos wiegt, darf fortan 
nicht mehr in Bewegung gesetzt werden. Seit längerer Zeit 
wurde nämlich die Wahrnehmung gemacht, baß die ganze 
Pyramide deS StephanSthurmeS in Schwingungen geräth, so- 
bald die Glocke geläutet wird. Da diese Schwingungen an 
der Spitze deS ThurmeS nach vorgenommenen Messungen 15 
bis 20 Centimeter betragen, so wird ein Riß in der Pyra-. 
mide oder andere Gefährdung des TtzurmeS befürchtet und ist 
die Glocke daher, vie sonst an hohen Festtagen ihre hehren 
Töne über Stadt und Land erschallen ließ, zu immerwährend 
dem Schweigen verurtheilt worden. 
* Der „Grenzpost" schreibt man auS Zürich: Trübseligere 
Pfingsten als dieses Jahr haben wir noch selten erlebt; denn 
zur kühlen Unfreundlichkeit des Detters gesellte sich Die Ent 
ladung eines schweren FinanzgewitterS, herbeigeführt durch vie 
am Vorabend erfolgte Brochüre von A. Memminger: „Die 
Nordoftbahn im Lichte der Ziffern." Vier Bogen voll der gra- 
virendsten Enthüllungen und schwersten Anschuldigungen gegen- 
über der nun in ihrer ganzen Unfähigkeit erscheinenden Direktion 
und Verwaltung dieses Jahrzehnte lang so hochgelobten Ver- 
kehrSinstitutö. Der Absatz ist ein reißender und schon am 
Pstngstabenve wurden, obschon die Ausgabe erst, spät beginnen 
konnte, über 1000 Exemplare verkauft. Die Wirkung ist eine 
vernichtende und kann durch Schimpfereien über ven Verfasser 
und seine Vergangenheit und den Vorwurf, er plaudere da an- 
vertraute Dienstverhältnisse au6, nicht gemindert werden. Die 
erste Folge war, daß schon am Abende deS Erscheinens Stamm 
aktien zu 60 velkauft und am 2t. zu 65 auSgeboten wurden. 
Verantwortlicher Redakteur ».Herausgeber: vr. Rudolf Schadler. 
Thermometerstand nach Reaumur in Vaduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Mai 
23 
+ 8% 
-j- 14 % 
+ 9 
fast trüb; etw.Reg. 

24. 
+ 9 
+ 13 
+ 10 
Irüb „ „ 
* 
25. 
+ 9 
+ 12% 
+ 9 
n h n 
H 
26 
+ 1% 
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H 
27. 
+ 6 
+ 15% 
+ 14% 
hell 
1/ 
28 
+10 % 
+ 19% 
+ t4 
halb hell; Swd. 
IT 
29. 
+13 
+ 16 
+ t5 
» It 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
30. Mai Silber. .......... 112.30 
20-Frankenstück . . .... 10.24 
100 Reichs-Mark ...... 62.80 
London . . 127.90 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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