Hie Straße von Turtukai nach Rasgrad nicht so Ohne weiteres
»ohne Kampf aufgeben, und so könnte es wahrscheinlich daselbst
noch zu heißen Schlachten kommen.
Der dritte Uebergang der Russen dürste wahrscheinlich West-
wartS von Kalafat, vielleicht bei Cetate oder noch weiter bei
ZSvor, dem serbischen Negotin gegenüber, oder bei Tschernetz
mach Kladowa, geschehen, und dieses hier übergehende russische
KorpS seinen Marsch durch Serbien nehmen, um von hier
aus gegen vie Türkei zu operiren. Gelingt eS den Russen mit
30—40,000 Mann in daS Morawa-Thal zu gelangen, Ale-
xmatz zu besetzen und von hier auS gegen daS türkische Nissa
zu operiren, so haben sie damit einen ungeheuren Vortheil er-
reicht. Daß die sogenannte Neutralität Serbiene die Russen
ckeinen Augenblick abhalten wird dieses Land zu besetzen und
für ihre kriegerischen Operationen zu benutzen, dürfte wohl
ziemlich unzweifelhaft sein. Wollte Rumänien doch anfänglich
•aucb seine Nemralilät erklären, ward aber trotzten! von den
Russen ohne weiteres besetzt, und jetzt fechten die rumänischen
Truppen, ob gern oder ungern, an der Seite der russischen,
mnd der Fürst Karl von Rumänien hat, wenigstens dem Namen
nach, das Kommando über ein gemischtes rumänisch-russisches
Korps erhalten. Ziemlich ebenso dürste eS jetzt auch mit
Serbien geschehen, oder wir müßten uns gar arg täuschen.
Stehen wirklich an 200,000 Mann russischer Truppen
«auf diese Welse auf bulgarischem Boden und an 100,000
Mann als erste Reserve in Rumänien, Serbien und Bessara-
bien, so ist der Zweck deS russischen FeldzugS von 1877 er-
reicht. Die Russen bleiben fest daselbst stehen, besetzen die
Türkei bis zum Balkan, zwingen alle türkischen Festungen
durch Cernirung zur Uebergabe, verpflegen ihre Truppen durch
Proviant auS Rumänien und Süd-Rußland, wo Getreide und
Schlachtvieh im Ueberfluß vorhanden find, und warten so ruhig
. die weitere Entwicklung aller politischen Verhältnisse ab."
Oesterreich. Daß uysere moderne Zeit in dem übereilten
Eturmlaufe nach „Freiheiten" manche sogar „freiheitliche"
Einrichtung schuf, die jetzt an der Hand der Erfahrung fast
die Kehrseite von dem, was man wahre Freiheit nennt, dar-
stellt, ist jüngst im galizifchen Landtage und im österreichischen
ReichSrathe an den „Folgen der Wucherfreiheit in Oesterreich"
treffend illustrirt worden. Wir entnehmen die folgenden Data
einer zuverlässigen Quelle. Nachdem im norddeutschen Bunde
im Jahre 1867 die Wuchergesetze aufgehoben waren, wurden
dieselben 1863 auch in Oesterreich beseitigt. Die „moderne"
Weisheit behauptete damals, die Konkurrenz der Kapitalien
werde schon verhindern, dat der Zinsfuß zu hoch stiege. In
vielen österreichischen Kronländern ist aber eben eine Kon-
kurrenz von Kapitalien gar nicht vorhanden. Meist ist der
Jude im Besitz deS Kapitals, Borschuß- und Kreditanstalten
existiren noch wenig, dazu ist die Klasse der Kleinbauern und
Kleingewerbetreibenden in einigen Kronländern wenig gebildet
und erfahren, in anderen, wo eS mit der Bildung besser steht,
genußsüchtig und leichtfertig. Daher sind die Kleinbauern und
Handwerker daS willkommene Opfer der Wucherer!
Seit mehreren Jahren schon wird der bäuerliche Grund-
besitz von Oesterreich-Ungarn jährlich mit mehreren Hundert
Millionen Mark Schulden neu belastet; der Zinsfuß von 20,
24, 30 und 36 Prozent ist sogar bei hypothekarischer Sicher-
heit in einer Reihe von Kronländern und einzelnen Bezirken
gewöhnlich geworden; in einem ungarischen GsrichtSbezirke
jsauch Ungarn hat über 500,000 Juden!), wird sogar ein
Zinsfuß von 40—60 Prozent alS der gewöhnliche angegeben
bei hypothekarischer Sicherheit; bei zweifelhafter Sicherheit
aber geht hier der Zinsfuß bis zu 40 Prozent, wie nachge-
wiesen, nicht bloS behauptet wird, und ein Zinsfuß von 60,-
100, ja 200 Prozent ist bei zweifelhafter Sicherheit weithin
durch die Kronlande üblich!
Ist eS zu verwundern, wenn in Oesterreich jährlich viele
Tausende von Bauernhöfen den „Güterschlächtern" in die
Hände fallen, wenn ungezählte Schaaren von Bauern und
Handwerkern, die gesundesten Elemente deS BtaattS, Arbeiter
oder geradezu Proletarier werden?
Speziell von Galizien ist nicht bloS behauptet, sondern
durch genaue Angabe der in zahlreichen Ortschaften bereits
bankerott gewordenen KleingutdrsiKer im Jahre 1874 bereits
bewiesen worden, daß bei einer ähnlichen Zunahme der zwangS-
weisen Güterverkäufe, wie in den letzten Jahren, binnen drei-
zehn Jadren sämmtliche, nach mehreren Hunderttausenden zäh-
lende Kleingutbesitze GalizienS in andere Hände übergangen
sein würden ! DaS systematische Vorgehen der Wucherer hat
sogar eine Art „Schuldknechtschaft" geschaffen, „welche an
Härte die ehemaligen Reallasten deS bäuerlichen Besitzes weit
übertrifft." Graf Karl Chorinsky, Dr. der Rechte und k. t.
LandeSgerichtSrath in Wien, welcher sich um die Bekämpfung
deS Wuchers hohe Verdienste erworben hat, beschreibt in seiner
trefflichen neuen Schrift: „Der Wucher in Oesterreich", diese
neue Schuldknechtschaft also:
„Der Wucherer pfändet allerdings das liegende Gut deS
Schuldners, er hält aber mit der exekutiven Versteigerung inne
und beläßt den bisherigen Eigenthümer der Wirtschaft als
Knecht auf dem Gute.
Um einen elenden, um einen wahren Hungerlohn dient
nunmehr der bisherige Eigenthümer seinem modernen LehenS-
Herrn; die Früchte seines Fleißes dienen nur dazu, dem
Gläubiger eine übermäßige Verzinsung seines Kapitals zu
sichern; das Kapital der Forderung selbst gelangt niemals zur
Abzahlung, und der Landwirth muß seine Kräfte erschöpfen,
um die Interessen jahraus jahrein aufzubringen.
Will er nicht seine Familie deS Obdaches berauben oder
dem Bettel anheimfallen, so ist eS dem hörig gewordenen
Landwirthe nunmehr unmöglich, den Ort seiner Dienstbarkeit zu
verändern, und daS neue Vasallenthum unterscheidet sich von
dem feudalen nur dadurch, daß der neue Hei r Rechte, aber
keineswegs Pflichten gegen seinen Hörigen hat."
Selbst die Beamten in Galizien sind in großer Zahl den
Wucherern verfallen, weil jedes kleine Anlehen sofort durch
die Wucherzinsen riesig anwätSt. Die „Allgemeine Beamten-
zeitung" schildert dleseS Beamtenelend mit beredten Worten.
Die ZahlungSbogen der Beamten befinden sich, deS staatlichen
VerpfändungSverboteS ungeachtet, in großer Menge in 5en
Händen der Wucherer, welche den größten Theil der Gehalte
als Zahlung ihrer Zinsenansprüche.in Empfang nehmen.
Glaubwürdige Männer versichern, daß die Ausbeutung
der Geldsuchenden in ein recht geordnetes System gebracht
worden sei, und daß eine Verabredung unter den Wucherern
den Preis des Kapitals nicht herabsinken, lasse. Dazu ist als
reiche Gelegenheit zur Ausbeutung und Verführung auch noch
in Anschlag zu bringen, daß die Gast- und Schenkwirthschaften
und die großen wie kleinen VerkaufSlüven in Galizien meist
in den Händen der Juden sind. Mancher Pole oder Ruttzene
verliert sein Vermögen durch Spiel oder durch ein in der
Trunkenheit unterzeichnetes „Papierchen", mancher muß bei
dem Juden, dem er verschuldet ist und den er sich willig er-
halten muß, fortwahrend Waaren kaufen, die er über ihren
Preis bezahlt oder selbst gar nicht gebrauchen kann.
Die Formen dieser Wuchergeschäfte sind oft im höchsten
Grade raffinirt. Bei der parlamentarischen Verhandlung dieser
Verhältnisse in Wien kam z. B. aus Galizien folgender Vor-
gang zum Bericht:
„ES wurde vor kurzer Zeit in der galizifchen Landtafel
ein NotariatSakt eingetragen, kraft dessen Jemand bekennt, daß
er 4200 Gulden als Darlehen erhaltet! habe: er perpflichtet
sich nach Ablauf eines JahreS 7000 Gulden zurückzuzahlen;
sollte er aber 7000 Gulden nach Llblauf eineS JahreS nicht
zurückzahlen können, so verpflichtet er sich, von diesen 7000