Der ehemalige Führer der „Liberalen" Englands, Glad-
stone, hat die „HumanitätS "-Schwindelei, mit welcher er bis-
lang Volksversammlungen zu Gunsten Rußlands und gegen
die Türkei zu stimmen suchte, auf daS englische Unterhaus über-
tragen, aber sowohl er alS seine Freunde haben sich dabei arg
blamirt. Die Regierung geht gestärkt auS den Debatten her-
vor, und ihre Politik, rSelche Rußland scharf im Auge behüll,
findet immer mehr Anerkennung im Lande.
Die Zahl der dem hl. Vater in Rom zum 13. Mai,
alS seinem 85. Geburtstage, auS allen Theilen Europas ein-
gelaufenen telegraphischen Glückwünsche soll eine so große ge-
Wesen sein, daß der sonstige Dienst auf vielen Linien stockte.
Unter den zugegangenen Glückwunschtelegrammen sollen sich auch
solche deS Sultans, der Königin von England und des Mar-
schaßte Mac Mahon befunden haben. — Kardinal-Staatssekretär
Simeoni hat im Auftrage deS Papstes einen Protest gegen
Rußland ausgearbeitet, in welchem lebhafter Widerspruch gegen
die fortgesetzte Bedrückung der katholischen Kirche in Polen er^
hoben wird. Dieser Protest wird nicht sofort zur Veröffentlichung
gelangen, ssndern erst wenn der hl. Vater den geeigneten Augen-
blick für gekommen halten wird.
Neuestes. K o n st a n t i n o p e l, 20. Mai. Der Scheck«
ül-Jslam proklamirt den heiligen Krieg gegen Ruß»
l a n d. Ein Jrade deS SultanS zieht alle Nichtmuselmanner
zum Kriegsdienste heran. — DaS hiesige amtliche Blatt beziffert
den Verlust der Russen in den letzten Kämpfen bei Ardahan
auf 300 Mann, während derjenige der Türken aus 10 Mann
angegeben wird.
AuS dem Umstände, daß Kaiser Alexander in Veglei-
tung deS Thronfolgers und des Großfürsten Sergius im Haupt»
quartier der Donau-Armee eintreffen wird, schließt man, daß
der strategische Aufmarsch der Russen bis dorthin vollendet sein
wird und daß dann die größeren Operationen beginnen werden.
Wien, 22 Mai. DaS „Telegraphen-Korrespondenz-Bureau"
erfährt als sicher, daß die Regierung deS Fürsten Karl gestern
die Unabhängigkeit Rumäniens proklamirt und der Türkei den
Krieg erklärt hat. Die Rolle der rumänischen Armee, welche
sich vollständig in der kleinen Walachei konzentrirt, wird den-
noch eine rein defensive bleiben.
Ein Telegramm deS Oberkommandirenden der Kaukasus-
Armee vom 19. Mai lautet wörtlich: „Ich habe die Ehre Ew.
Majestät aus Veranlassung der Einnahme ArdahanS zu be
glückwünschen! So eben habe ich vom General Loris-Melikoff
folgende Depesche erhalten: Die Vorwerke ArdabanS, die Be-
festigungen, 60 Kanonen, eine ungeheure Masse Proviant und
Munition, daS Lager von 14 Bataillonen Türken und die
Citadelle liegen zu Füßen Ew. Majestät. Am 17. d. von 3
bis 6 Uhr Nachmittags hatte daS wunderbare Feuer unserer
Artillerie in die Mauern deS Platzes Bresche gelegt, um 6 Uhr
erfolgte der Sturm mit den Regimentern Erivan, TifliS, Baku
und den Sappeuren. Der Feind konnte dem Anprall nicht
widerstehen und ergriff die Flucht, eine große Anzahl Todter
zurücklassend; die Kavallerie verfolgte ihn trotz der Dunkelheit.
Um 9 Uhr durchschritten unsere Truppen die ganze Stadt, so-
wie die Befestigungen unter den Klängen der Nationalhymne
und feierten mit Begeisterung den Sieg. Die russische Flagge
wurde auf allen Befestigungen aufgezogen. Unsere Verluste
sind noch nicht genau bekannt. Man schätzt dieselben auf 1
Offizier und 50 Soldaten getödtet und 4 Offiziere und 180
Mann verwundet. Ich habe nicht genug Lobsprüche für die
Tapferkeit und Kaltblütigkeit unserer jungen Soldaten und für
die von den Offizieren getroffenen guten Dispositionen. Feier-
licher Gottesdienst wird heute im Mittelpunkte der Befestigungen
in Gegenwart der Truppen abgehalten werden."
Landwirtschaftliches.
Bon einigen wichtigen Arten HiilsSdiinger.
(Nach Tschudi.)
Hier verdient vor allen der sog. Kompostdünger
(Menge- oder Mischdünger) Erwähnung, theilS weil er nah-
rungSreich und bodenverbessernd ist, theilS weil er in jeder
Bauernwirthschast mit den geringsten Unkosten bereitet werden
kann, ja überall, wo eine gute Ordnung herrscht, bereitet
werden muß. Dieß geschieht einfach dadurch, daß man alle
scheinbar nutzlosen Abfälle in HauS, Hof, Feld sorgsam zu-
sammen sammelt und auf einen Haufen schlägt. Also: Keh-
«cht auS allen Winkeln, wollene Lumpen, frische und ausge-
laugte Asche, Sägespäne, Ruß, Torfreste, Ärde von abgestochenen
Feld- und Ackerrändern, Moder und Schlamm aus Gräben
und Teichen, Straßenkoth, zerkleinerter Bauschutt aller Art,
Unkraut, thierische Abfälle (Eingeweide, Blut, Haare, Klauen,
Federn), Geflügelmist, durch Abbrühen getödteter Maikäfer,
— kurz alles, was Unrath heißt und beseitigt werden soll.
Man bringt diese Stoffe nach und nach auf einen Haufen,
mischt um ihre Zersetzung zu befördern, etwas gebrannten Kalk
bei, begießt sie fleißig mit Spühlwasser und nach den Waschen
mit gebrauchter Lauge, Seifenwasser u dgl., besonders aber
mit Jauche zur Zeit, wo man diese nicht auf das Feld bringen
kann. Diese Haufen müssen, um gehörig durcheinander ge-
mischt zu werden, nothwendig zwei- bis dreimal im Jahre ab-
gestochen und frisch aufgesetzt werden. Nach Umfluß von ein
bis zwei Jahren liefern sie dann einen ausgezeichneten, gehalt-
vollen Dünger, der für jeden Boden paßt und in Aeckern,
Gärten, besonders aber auf Wiesen, in Baumschulen und Reb-
bergen vortrefflich wirkt — und so zu sagen nichts kostet. An
seinem Komposthaufen erkennt man den klugen und fleißigen
Bauer. Er ist die Sparbüchse, in welche der Landmann die
ungeprägten Rappen, welche in Feld und Hof nutzlos herum-
liegen, klüglich sammelt und zu blanken Thalern zusammen
spart.
Der Straßenkoth ist vermöge seines GehaltS an auf-
geschlossener Kalk- und Kieselerde, an GypS, PhoSphorsäure
und stickstoffhaltigen pflanzlichen und thierischen Abfällen ein sehr
werthvolles Düngmittel und wird fast überall vom Landmann
fleißig für seine Wiesen und Aecker zusammen gesammelt. Am
besten mischt man ihn unter den Kompost oder behandelt ihn
auch für sich allein wie diesen.
Auch die Asche ist, wo sie billig erhältlich ist, ein will
kommener HülfSdünger, Ihr Werth beruht zumeist in ihrem
Gehalt an Kali und PhoSphorsäure. Unter den Holzaschen
ist die Eichenasche (mit 5% solcher Salze) die geringste, besser
die Tannen- (7—15%), am besten die Buchenasche (20%).
Ein Zentner dieser letztern enthalt genug PhoSphorsäure für
20 Zentner Getreidekörner. Auch Steinkohlenasche ist gut, be-
sonders für schweren, kalten Boden. Die Torfasche tst reich
an GypS und Kalk; sieht sie aber rechlich (von Eisenrost) aus,
so taugt sie nichts. Je weißer sie ist, desto besser.
Der GypS ist eine Verbindung von (33%) Kalkerde,
(22%) Wasser und (45%) Schwefelsäure und wirkt, je mehr
er von letzterer enthält, um so günstiger aus die Kleearten,
RepS, Hülsenfrüchte und Kohl. Seine Wirkung beruht weniger
darauf, daß er den Pflanzen unmittelbar als Nährstoff dient,
alS vielmehr, daß er die im Boden vorhandenen Nährstoffe
toölich macht (dieß selbst noch im Untergrunde) und die Feuch-
ligkeit un Boden länger erhält. Man verwendet il>n am besten
in milden, feuchten Frühlingstagen. Auf schlechtbearbeitetem,
armem, kaltem oder sonst schon gypshaltigem Boden leistet er
wenig oder nichts. Am besten ist der feingepulverte, rein-
weiße GypS.
- In mancher Hinsicht ähnlich wirkt der gebrannte Kalk
auf kalkarmem Loden. Er macht schweren Boden lockerer,
stumpft die Säuren und den Eisengehalt ab, zersetzt die vor-